Volltext: Die Kriegsführung im Herbst 1916 und im Winter 1916/17 : vom Wechsel in der Obersten Heeresleitung bis zum Entschluß zum Rückzug in die Siegfried-Stellung (11. 1938)

Verminderte Leistungsfähigkeit der Truppen. 
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tretende Tätigkeit. Wie schwierig und verantwortungsvoll sie aber bei 
überaus knappen eigenen Mitteln war, zeigten die beiden ernsten Rück¬ 
schläge vor Verdun mit erschreckender Deutlichkeit. Cs galt nicht nur, den 
Feind richtig einzuschätzen, sondern mehr und mehr begann auch die Be¬ 
urteilung der Leistungsfähigkeit der eigenen Truppen 
eine entscheidende Rolle bei der Kräftebemessung zu spielen. Wohl waren 
fast alle deutschen Divisionen in ihrer Gliederung, zahlenmäßigen Stärke, 
Bewaffnung und Ausrüstung allmählich ziemlich gleich, nicht aber in ihrem 
Kampfwert. Bei weitem nicht alle waren für den Großkampf geeignet, und 
bei denen, die es an sich waren, wechselte die Leistungsfähigkeit dauernd. 
In den Materialschlachten vor Verdun und an der Somme war der bis 
dahin unbekannte Begriff „abgekämpfter" Truppen entstanden. In den 
schon seit Juli allwöchentlich von den Heeresgruppen und Armeen ein- 
zureichenden Beurteilungen der Lage ließ sich die Oberste Heeresleitung 
seit Anfang November') auch über Kampfwert, Einsatzfähigkeit oder Ab- 
lösungsbedürfnis jeder einzelnen Division berichten. Die Rot war so groß, 
daß man buchstäblich von der Hand in den Mund lebte. Nach Auffüllung 
und kurzer, meist völlig unzureichender Ruhe oder Einsatz an stilleren 
Fronten mußten die Truppen wieder in den Großkampf geschickt werden. 
Die Kräfte der meisten und gerade der an sich besten Divisionen waren 
dadurch in einer Weise beansprucht worden, daß ihre Leistungsfähigkeit 
stark herabgesetzt war. Abgesehen vom Ausfall oft der tüchtigsten Führer 
und Mannschaften war die Siegeshoffnung und damit vielfach auch die 
Kampfbereitschaft nicht mehr die alte. Man sah kein Ende des ungleichen 
Ringens. Ein Erlaß des Kaisers an die obersten Kommandobehörden vom 
3. Rovember 1916, kurz nach dem ersten Verdun-Anglück, begann mit den 
Worten: „So sehr ich die außerordentlichen Leistungen der Truppe aner- 
kenne, kann ich mich doch der Tatsache nicht verschließen, daß die Länge 
und Wirkung des Krieges und die gewaltigen Einflüsie der modernen 
Dauerschlachten auf die menschliche Natur die Gefahr in sich bergen, die 
Widerstandsfähigkeit der Truppe, insbesondere der Infanterie, zu ver- 
mindern." Cs sei geboten, die Ausbildung der Truppe auf voller Höhe zu 
erhalten, wobei der Förderung der Dienstfreudigkeit ein ganz besonders 
hoher Wert beizumeffen sei. 
Auch die Nachrichten aus der Heimat waren keineswegs geeignet, die 
Stimmung an der Front zu heben. Die Ernährungslage hatte sich 
seit dem Sommer in besorgniserregender Weise verschlechtert. Die Kar- 
toffelernte mißriet; zum ersten Male drohte eine Hungersnot. Sie wurde 
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Weltkrieg. XI. Band. 
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