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Die Ostfront. — Brussilow-Offensive.
Die Lage der ö.-u. 7. Armee war nach wie vor besorgniserregend.
General von Falkenhayn hatte durchgesetzt, daß zu ihr General-
major von Geeckt als „Ober-Generalstabschef" trat'). Am 15. Juni
versuchten Vortruppen des Gegners, der mit drei Korps nach Süden gegen
die Bukowina eingeschwenkt war, trotz hohen Wasserstandes den Pruth
westlich von Czernowitz zu überschreiten. Am Abend des Tages übernahm
Generalmajor von Geeckt seine neue Stellung als Generalstabschef. In
einer tags darauf an Generaloberst von Conrad erstatteten Meldung, in
der er vor allem schwere Artillerie forderte, gab er der Besorgnis Ausdruck,
daß die Aufgabe, mit den Hauptkräften zwischen Pruth und Dniester zu
halten, mit anderen die Bukowina zu decken*), die Armee auseinanderreißen
werde, sobald der Feind einen starken und gut vorbereiteten Angriff mache.
Schon am 18. Juni früh geschah das. Die Pruth-Verteidigung brach
zusammen, Czernowitz fiel in russische Hand, die Gruppe des Generals
Edler von Korda (Kommando des ö.°u. XI. Korps) wich südwärts hinter
den Sereth zurück. In dem mehr als 70 Kilometer breiten Räume zwischen
Sereth und Dniester aber, in der Richtung auf Kolomea, deckten nur noch
Kavallerie und die Trümmer der Gruppen der Generale von Venigni und
von Hadfy.
i». bis Bereits am 19. Juni gaben die am Sereth eingesetzten Teile dem
23. Juni, Druck weiter nach. Sie standen am Abend an der Suczawa.
Generaloberst vonConrad wollte zwei von der Tiroler Front anrollende
Divistonen bei der 7. Armee einsetzen. Die vorderste konnte vom 26. Juni an
die Gegend von Kolomea—Stanislau erreichen. Die Rückwärtsbewegung in
der Bukowina ging währenddessen weiter. Generalmajor von Geeckt bat,
wenn irgend angängig, baldigst eine frische vollständige Gebirgsbrigade von
rückwärts gegen die Karpaten-Pässe von Iacobeny und Kirlibaba vor¬
zuführen, da die dorthin bestimmten Truppen der Gruppe Korda bei wei-
terem Zurückgehen in einem Zustande eintreffen würden, der die Aufnahme
durch frische, ausgeruhte Truppen erfordere'). Der Bitte konnte nicht ent-
sprechen werden; die 7. Armee mußte sich mit einer von der Südarmee
überwiesenen Infanterie-Brigade und einzelnen vom Balkan kommenden
Bataillonen helfen. Der Rückzug der Gruppe Korda aber ging unaufhalt¬
i) S. 482 f.
-) S. 463 f.
3) Nach einer Meldung des Genmaj. von Geeckt zählte die Armee am 20. Juni
im ganzen noch 85 000 Mann, bei einem Verluste von 75000. Nach dem österr. amtl,
Werk, Band IV, S. 465, wären die Verluste weit höher gewesen: bis Mitte Zum
bereits 134 000 Mann und 52 Geschütze.