Festhalten am Angriff bei Verdun.
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unsicher und von minderer Bedeutung, da schon das Bestehen der Offensiv-
Möglichkeit uns an unbequeme Gegenmaßregeln bindet.
„Sodann überschätzt das Armee-Oberkommando unsere eigene Leistungs-
fähigkeit. Die Annahme, wir wären in der Lage, jederzeit frische hoch-
wertige Truppen zur Ablösung der bei Verdun verbrauchten und dauernd
Ersatz an Gerät und Munition wie bisher zu stellen, ist irrig; auch beim
besten Willen sind wir dazu nicht imstande. Aus diesen Darlegungen
ergibt sich, daß der dortigen Ansicht, bei Verdun werde das Schicksal der
französischen Armee entschieden werden, doch nur bedingt beigetreten
werden darf.
„Die Hoffnung wird sich erfüllen, wenn es uns gelingt, während der
absehbaren Zeit, in der wir Menschen, Gerät und Munition noch annähernd
in dem bisherigen Umfange nachschieben können, Ergebnisse zu erzielen, die
die Franzosen dauernd unter wirklich fühlbarem Druck halten und sie
dadurch zwingen, entweder ihrerseits fortgesetzt frische Kräfte bis zu deren
Erschöpfung einzusetzen oder den nordöstlichen Sektor der Festung Verdun
aufzugeben. Zu diesem Ende sind aber Fortschritte nötig. Schleppende,
hin und her wogende Gefechte genügen dazu nicht. Wie überhaupt in jedem
anderen Falle die dortigen Hoffnungen nicht verwirklicht werden können.
„Aus alledem folgt zwingend:
„1. Daß wir jetzt alles daransetzen müssen, um im Kampfgebiet an
der Maas nach dem bisherigen Angriffsverfahren vorwärtszukommen.
„2. Daß wir das jetzige Verfahren entschlossen aufgeben, unter mög-
lichster Kräftebefchränkung zum fchulmäßigen Sappenangriff übergehen und
an anderer Stelle die Entscheidung suchen müssen, sobald wir erkennen, daß
auf die bisherige Weise das nötige Ergebnis in absehbarer Zeit nicht mehr
zu erhoffen ist. Gewiß wird im letzten Falle gesagt werden, wir hätten die
Schlacht vor Verdun nicht gewonnen. Das wird aber auch jetzt schon gesagt
und kann und muß in Kauf genommen werden.
„Gewinnen wir die Schlacht, so steigen unsere Aussichten, den Krieg
bald zu beenden, sehr. Gewinnen wir sie nicht, so wird, schon nach dem
bisher Erreichten, das siegreiche Ende zwar verzögert, aber nicht beeinträch-
tigt, wenn wir uns rechtzeitig entschließen, uns bei
Verdun nicht nutzlos fest zubeißen, sondern den
Feinden an anderer Stelle das Gesetz vorzuschreiben.
In diesem Sinne fällt dem Armee-Oberkommando die unendlich verant-
wortungsvolle Pflicht zu, sich selbst fortgesetzt über die wahre Lage an der
Front unterrichtet zu halten und der Obersten Heeresleitung ohne jede
Nebenrücksicht die Unterlagen für ihre Entschlüsse zu liefern".
Weltkrieg. X.Band. 19