Volltext: Die Operationen des Jahres 1915 ; [2]. Die Ereignisse im Westen im Frühjahr und Sommer, im Osten vom Frühjahr bis zum Jahresschluß (8. 1932)

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Der Mehrfrontenkrieg im Sommer 1915. 
Trotz dieses Bescheides des verantwortlichen Leiters der deutschen 
Gesamtpolitik ließ General vonFalkenhayn auch weiterhin keine Ge¬ 
legenheit vorübergehen, die Friedensfrage einer Lösung zuzuführen. Einen 
neuen Anlaß dazu gab ein Schreiben des Generalobersten von Conrad 
vom 21. Juli an das Außenministerium in Wien: Der jetzige eindrucksvolle 
Kriegsabschnitt, so hieß es hierin, der voraussichtlich bald zur Einnahme 
von Lublin, Cholm, Iwangorod und vielleicht sogar von Warschau führen 
werde, müsse dazu ausgenutzt werden, um durch ein Abkommen mit Ru߬ 
land den Block der Gegner zu sprengen sowie Rumänien und Bulgarien 
auszuschalten. Rußland seien für einen Sonderfrieden goldene Brücken zu 
bauen. 
General VonFalkenhayn gab die ihm übersandte Abschrift dieses 
Schreibens am 22. Juli an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg weiter 
mit dem Hinzufügen, daß seine Auffassung mit der des Generalobersten 
von Conrad übereinstimme. Der richtige Zeitpunkt, an Rußland heran¬ 
zutreten, dürfe nicht verpaßt werden. 
In seinem Antwortschreiben wies der R e i ch s k a n z l e r am 30. Juli 
darauf hin, daß er seit Monaten fortgesetzt eingehend die Frage prüfe, ob 
Rußland zu einem Sonderfrieden mit Deutschland geneigt sei, daß die rus¬ 
sische Regierung bisher aber stets in ablehnendem Sinne geantwortet habe. 
Ein Stimmungsumschlag zugunsten Deutschlands sei zwar festzustellen, 
Neigung zu einem Sonderfrieden indes nicht zu erkennen; vielmehr beharre 
man auf dem alten Standpunkt, daß Rußland, durch das Wort des Zaren 
gebunden, nur gemeinsam mit seinen Alliierten Frieden schließen könne. Die 
schweren Niederlagen in Polen und Kurland würden in Petersburg nicht 
als entscheidend für den endgültigen Ausgang des Krieges betrachtet und 
nur als vorübergehende Mißerfolge hingestellt. Unter Einsatz der gegen¬ 
wärtig noch in der Ausbildung begriffenen britischen Streitkräfte werde im 
Herbst auf dem französischen Kriegsschauplätze die große Offensive der West¬ 
mächte beginnen. Hiernach scheine trotz des zweifellos festzustellenden Stim¬ 
mungsumschwunges die Annahme nicht berechtigt, daß sich Rußland auch 
beim günstigen Fortschreiten unserer militärischen Operationen in Polen 
zu einem Sonderfrieden entschließen würde. Die Möglichkeit hierzu werde, 
wenn überhaupt, erst kommen, wenn Rußland feine Hoffnung auf den Fall 
der Dardanellen^) und die Gewinnung Bulgariens endgültig ausgeben müsse. 
1) Wenn der Reichskanzler die Friedensbereitschaft Rußlands in dieser Weise 
mit dem Erfolge des Gallipoli-Anternehmens in Verbindung brachte, so darf daran 
erinnert werden, daß Rußland an einer Eroberung der Meerengen ohne russische 
Mitwirkung kein Interesse hatte. Man war unter Umständen sogar bereit, einen
	        
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