Volltext: Die Operationen des Jahres 1915 ; [2]. Die Ereignisse im Westen im Frühjahr und Sommer, im Osten vom Frühjahr bis zum Jahresschluß (8. 1932)

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Die russische Oberste Führung bis Ende August. 
BisMitteMai. Hinter den vorderen Kampflinien, die abgesehen von der Durchbruchs¬ 
front in Galizien und Südpolen und dem Raume nördlich des Njemen 
recht stark ausgebaut waren, ermöglichten in Polen von südlich Iwangorod 
über Nowogeorgiewsk bis gegen Lomza tiefgegliederte rückwärtige Stel¬ 
lungen und dahinter die durch Befestigungen noch verstärkte Narew— 
Weichsel-Linie hartnäckigen Widerstand. Sollte aber der Druck der Gegner 
wider alles Erwarten dazu zwingen, diesen „vorderen Kriegsschauplatz" aus¬ 
zugeben, dann stand immer noch die große rückwärtige Hauptabwehrlinie 
des Njemen und Bug mit den starken und neuzeitig ausgebauten Festungen 
Kowno, Grodno und Brest zur Verfügung. Ihre rechte Flanke schien durch 
das Fehlen von Eisenbahnen und Straßen nördlich des Njemen ausreichend 
geschützt, der linke Flügel fand hinter dem Dniester sichere Anlehnung an die 
rumänische Grenze. Diese letzte Stellung hoffte man daher auch bei ungün¬ 
stigster Entwicklung der Dinge halten zu können. 
Seit Anfang Mai war das Augenmerk der Obersten Heeresleitung 
durch die Lage an der Kampffront in Galizien gefesselt, über die 
deutsche Kräfteverteilung war man im allgemeinen schnell und gut unter¬ 
richtet, vermutlich durch Agentennachrichten und Gefangenenaussagen. Dem 
deutschen Vordringen nördlich des Njemen maß man keine große Bedeutung 
bei, denn die dort festgestellten Kräfte waren zu schwach, um eine Gefahr 
zu bedeuten. So war die Nordwestfront einstweilen die Kraftquelle, aus 
der durch Truppenabgabe der schwere und verlustreiche Kampf der Südwest¬ 
front genährt wurde. Zier schien um Mitte Mai der Druck gegen den 
Abschnitt, der ihn bisher am stärksten gespürt hatte, gegen die 3. Armee, die 
unterhalb der Festung Przemysl am San stand, nachgelassen zu haben, wie 
man glaubte, da sich die deutschen Truppen mehr nach Süden zogen. Am 
Mai. 17. Mai drahtete der Großfürst persönlich an General Vrussilow, den Ober¬ 
befehlshaber der 8. Armee, er habe zu seiner Tatkraft besonderes Vertrauen 
und sei überzeugt, daß er nicht nur Przemysl halten werde, dessen Besitz 
besonders wichtig sei, sondern durch aktive Kampfführung auf seiner übrigen 
Front auch die Gesamtlage festige. Er gab der Südwestfront zu erwägen, 
aus ihren Reserven im Raume nördlich von Lemberg eine neue Operations¬ 
armee zu bilden, zu der ihr die drei Divisionen starke Heeresreserve und von 
der Nordwestfront ein besonders bewährter Armeeführer, General Plehwe, 
bisher Oberbefehlshaber der 12. Armee, und eineinhalb Korps gestellt werden 
sollten. Dazu aber meldete der Oberbefehlshaber der Nordwe st front, 
bevor er solche Abgaben leiste, müsse er wissen, ob er seine jetzige Front 
auch weiterhin zu halten habe oder auf den Narew und die Warschau 
deckende Grojec-Stellung zurückgehen dürfe.
	        
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