Volltext: Die Operationen des Jahres 1915 ; [2]. Die Ereignisse im Westen im Frühjahr und Sommer, im Osten vom Frühjahr bis zum Jahresschluß (8. 1932)

Gesamtlage und Aufgabe. 
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Linie Rajgrod—Suwalki—Marjampol. Von diesem Orte nach Nord¬ 
westen bis nördlich von Memel sicherten auf 200 Kilometer Breite nur noch 
Landwehr und Landsturm in der Gesamtstärke einer schwachen Division 
sowie eine Kavallerie-Division. Ähnlich stand, soweit man wußte, auch 
die russische 10. Armee südlich von Marjampol mit etwa 15 Divisionen, 
während nördlich davon im wesentlichen nur Truppen zweiter Ordnung in 
Stärke von höchstens zwei Divisionen angenommen wurden. 
Bei Memel lehnte sich die deutsche Ostfront an die See an, die nach 
wie vor von den schwachen deutschen Ostsee-Streitkräften unter 
Großadmiral Heinrich Prinz von Preußen beherrscht wurde. Die russische 
Ostsee-Flotte war durch die Cisverhältnisse noch in den Häfen festgehalten. 
Zuverlässige Erfahrungen im Stellungskriege fehlten damals noch. 
Angesichts der Gesamtlage an seiner Front hatte Generalfeldmarschall 
von Hindenburg aber doch Zweifel, ob die von der Obersten Heeres¬ 
leitung geforderte Täuschung oder Bindung des Gegners möglich sein 
werde. Auch sein Generalstabschef, Generalleutnant Ludendorff, 
hielt „von solchem frontalen Angriffe wenig"1). Vor allem die Aufgabe, 
den Feind festzuhalten, war — wie er am 19. April an General von Gall- 
witz schrieb — „entgegen unseren früheren Anschauungen schwer durch¬ 
zuführen gegenüber einem stark verschanzten Feinde und ohne die eigenen 
Truppen zu opfern; dies dürfe nach Ansicht des Herrn Feldmarschalls nicht 
geschehen". Generalfeldmarschall von Hindenburg hatte daher bereits am 
17. April an den Kaiser gemeldet5), daß er nach besten Kräften den Feind 
täuschen und festhalten werde. Da dies aber ausdrücklich als Vorbedingung 
für das Gelingen der Operation in Galizien bezeichnet sei, so müsie er 
pflichtgemäß melden, daß er keine Gewähr dafür bieten könne, daß der in 
starker Stellung gegenüberstehende, an Infanterie zur Zeit beinahe doppelt 
überlegene Feind nicht doch Kräfte für anderweitige Verwendung freimache. 
Am die gestellte Aufgabe nach Möglichkeit zu lösen, wollte der Ober¬ 
befehlshaber Ost die Russen an mehreren Stellen anfassen. Als größeres, 
den Feind auf längere Zeit fesselndes Anternehmen konnte er dabei nur 
einen tiefen Stoß in das dünn besetzte Gebiet nördlich des Njemen in Aus¬ 
sicht nehmen, etwa so, wie er bereits seit Ende März zur Erörterung 
stand5). Daneben kamen nur kleinere örtliche Kampfhandlungen in Frage, 
die den Gegner vorübergehend irreführen sollten. 
1) Aus einer Mitteilung des Generals Ludendorff an das Reichsarchiv vom 
März 1931. 
2) Band VII, S. 362. 
3) S. 106 und Band VII, S. 296.
	        
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