Volltext: Der Herbst-Feldzug 1914 ; 1. Im Westen bis zum Stellungskrieg, im Osten bis zum Rückzug (5. 1929)

Rückblick. 
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Die Verhältnisse hatten sich gegenüber der Lage zu Beginn des Krieges 
von Grund aus geändert. Auf dem westlichen Kriegsschauplatz hatte sich 
ein festgeschlossener eiserner Wall vor dem deutschen Heere aufgerichtet. Im 
Osten war noch weiter Raum zum Operieren, hier waren die Dinge noch 
im Fluß, es gab noch Möglichkeiten, um wuchtige Schläge mit überlegenen 
Kräften gegen schwache Teile der feindlichen Heeresfront zu führen. Der 
Stellungskampf war noch nicht zur alles beherrschenden Form der Krieg- 
führung geworden. 
Solche Erwägungen mußten sich der deutschen Obersten Heeresleitung 
geradezu aufdrängen, als in den letzten Oktobertagen der Generalstabschef 
des öfterreichifch-ungarischen Heeres seine warnende Stimme immer dring- 
licher für eine Verlegung des Schwergewichts der Kriegführung nach dem 
Osten erhob und sich durch die Entwicklung der Lage auf dem östlichen 
Kriegsschauplatz in den ersten Tagen des November hier eine seltene 
Gunst bot. Die deutschen Führer im Osten hatte wider Erwarten trotz 
der großen Überlegenheit des Feindes ihre operative Freiheit wieder- 
gewonnen; in verantwortungsfreudiger Tatkraft waren sie entschlossen, 
unverzüglich die Initiative wieder an sich zu reißen. Auf Grund der wieder- 
holten und bestimmten Zusicherungen des Generals v. Falkenhayn bei der 
Berliner Besprechung glaubten sie fest an eine unmittelbar bevor- 
stehende Feldzugsentscheidung auf dem westlichen Kriegsschauplatz; in be- 
wüßtem selbstlosen Verzicht auf jede Verstärkung aus dem Westen faßten 
sie einen Entschluß von unerhörter Kühnheit. In bewundernswerter ope- 
rativer Beweglichkeit sollte die kleine deutsche 9. Armee überraschend gegen 
die Nordflanke des russisches Hauptheeres geworfen werden. Der Zweck der 
neuen Operation war, die gefahrdrohende russische Offensive zum Stehen zu 
bringen. Nochmals wollten die Führer im Osten den Versuch wagen, aus 
eigener Kraft die Lage zu meistern und dem Westheere die nötige Zeit 
zum Erringen einer Entscheidung zu erkämpfen. Im Osten mußten nunmehr 
die fehlenden Bataillone im wahrsten Sinne des Wortes durch eine Füh- 
rung ersetzt werden, deren Kühnheit und Beweglichkeit alles bisher Geleistete 
in den Schatten stellte. Das Wagnis war berechtigt, weil die Führung es 
verstanden hatte, sich trotz aller blutigen Opfer das Kriegsinstrument in kaum 
verminderter Schlagkraft zu erhalten. 
In der Frühe des 4. November gelangten die Absichten der Befehls- 
Haber im Osten zur Kenntnis der Obersten Heeresleitung. Der 4. November 
konnte zu einem bedeutsamen Wendepunkt in der Führung des Zweisronten- 
krieges werden. Von diesem Tage an durfte für den Leiter der deutschen 
Gesamtoperationen ein Zweifel nicht mehr bestehen, daß die nächste Feld- 
zugsentscheidung im Osten zu suchen war. Der von der Flankenoperation der
	        
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