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Der Feldzug im Osten bis Ende Oktober 1914.
Armee-Oberkommando am Abend des 22.September nochmals, zu
erwägen, „ob es zweckmäßig ist, mit dem Armeekorps weiter in östlicher
Richtung vorzugehen und dadurch dem Gegner die Möglichkeit einer Flan¬
kierung aus Richtung Dombrowo und Olita zu geben", also von Süden
und von Norden zugleich. Er hielt es für ratsamer, die Russen heraus-
zulocken und dann über sie herzufallen. Auch gegenüber diesen erneuten
Einwänden hielt General v. Schubert seinen Befehl aufrecht. General
v. Franczois aber entschloß sich, seinem Korps am 23. September zunächst
noch Ruhe zu gönnen.
Vis zum Abend des 23. September hatte General V. Francis
Meldungen, die ihm die Erfüllung feines Auftrages recht schwierig er¬
scheinen ließen. In der rechten Flanke des befohlenen Vormarsches standen
russische Sicherungen am Augustower Kanal, dahinter war an der Straße
Augustow—Grodno die Versammlung starker Truppen, auf ein Korps ge-
schätzt, und nördlich Sopozkinje starke Kavallerie gemeldet. Schon westlich
des Njemen waren die Streifabteilungen der 1. Kavallerie-Division mit
Verlusten abgewiesen worden, halbwegs zwischen Seiny und dem Fluß
sollten an den wichtigsten Straßen gemischte feindliche Abteilungen stehen.
Vei Druskjeniki selbst ließ ein Fesselballon auf stärkeren Feind schließen.
Nördlich davon stand Gegner in Meretsch, nordöstlich von Sereje und in
Simno. Bei Olita mußte mit einem feindlichen Korps und zwei Kavallerie-
Divisionen gerechnet werden. Anter Hinweis auf diese Lage schlug General
v. Franyois dem Oberbefehlshaber abermals vor, auf den Vorstoß über
den Njemen, also tief in die feindliche Aufstellung hinein, zu verzichten
und nur Teilvorstöße auf Druskjeniki und Sopozkinje anzusetzen. General
v. Schubert aber stand auch an diesem Tage zu seinen Anordnungen; er
schätzte Stärke, Kampfkraft und Kampfwillen des Gegners weniger hoch
ein als General v. Francis. Cr wies darauf hin, daß die Bahnunter-
brechung größte Bedeutung habe; es seien dazu „durchaus zureichende
Kräfte" einzusetzen; wenn keine Furt vorhanden wäre, sei eine Brücke zu
schlagen. Cr halte es für geboten, die Masse der vordersten Division für
den Übergang zu bestimmen. Als Rückhalt werde die 3. Referve-Divifion
von Augustow nach Seiny nachgezogen werden. Wenn der Gegner durch
den Stoß des I. Armeekorps zum Gegenangriff veranlaßt würde, so sei
das nur erwünscht.
24.uiid25.Sep- Am 24. September trat das I. Armeekorps den Vormarsch von Seiny
cm an und näherte sich Druskjeniki bis auf etwa 20 km; es war der Tag,
an dem das Korps nach dem ersten ihm gewordenen Befehle diesen
Ort schon hätte erreichen sollen. In der linken Flanke sicherte die
1. Kavallerie-Division (ohne 1. Brigade) schon seit zwei Tagen bei Sereje;