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Der Feldzug im Osten bis Ende Oktober 1914.
ungünstige Erfahrungen mit der Nachbarschaft österreichisch-ungarischer
Truppen von Tarnawka her") noch in frischer Erinnerung waren.
Für das Garde-Reservekorps blieb die Verzögerung in der
Mitteilung des Rückzugsbefehls ohne jede Folge; der Russe drängte
nirgends. General v. Gallwitz hatte das Vorgehen gegen die Front der
neuen russischen Stellungen nördlich der Radomka mit Rücksicht auf die
Gesamtlage schon am Vormittag angehalten. Rur die links anschließen-
den Teile des XX. Armeekorps nebst verbündeter 3. Kavallerie-Division,
unterstützt durch Teile der 1. Garde-Reserve-Division, standen südlich
Warka im Kampfe. Eine Entscheidung war hier bisher nicht gefallen.
Ohne irgendwie gestört zu werden, setzten sich die deutschen Truppen am
Abend des 26. Oktober vom Gegner ab.
In der Nacht vom 26. zum 27. Oktober stand die österreichisch-
ungarische 1. Armee von der Ilshanka-Mündung über Swolen bis Iedlnia,
das deutsche Garde-Reservekorps links vorwärts gestaffelt bei Glowatschow
und nordwestlich dieses Ortes. Der Gegner hielt sich zurück. Am Morgen
des 27. Oktober sollte der Abzug fortgesetzt werden.
Die von deutscher Seite mit Zweifeln, von österreichisch-ungarischer
mit Zuversicht begonnene Operation hatte nach fünftägigen, teilweise
schweren Kämpfen mit einer Beute von fast 15 000 Gefangenen — davon
mindestens 3000 durch das deutsche Garde-Reservekorps — abgebrochen
werden müssen. Die österreichisch-ungarische 1. Armee hatte 40000 bis
80 000 Mann verloren"), das Garde-Reservekorps 1000 Mann.
Die Erwartung der österreichisch-ungarischen Heeresleitung, daß die
feindlichen Massen über den Strom „hervorquellen" würden, sobald man
die Übergangsstellen freigebe, war in Erfüllung gegangen. Dieses früh-
zeitige Nachdrängen hatte sich daraus ergeben, daß die Russen^) für den
20. Oktober ohnehin schon den Angriff befohlen hatten. Ihre Stärke
wuchs aber, seit sie den Weichsel-Übergang unbehelligt vollziehen
konnten, so rasch, daß sie alsbald eine erdrückende Überlegenheit gewannen.
Ohnehin aber hätte die Lage westlich Warschau weiteres Verweilen
vor Iwangorod bald unmöglich gemacht; nur durch einen großen
Sieg an dieser Stelle oder auf dem österreichisch-ungarischen rechten Heeres-
flügel in Galizien wäre die Gesamtlage noch zu wenden gewesen. Statt
dessen war das verbündete Heer inzwischen auch in Galizien in die Abwehr
i) Band II, S. 334. — 2) Conrad V, S. 399. General Knox, der an den Kämpfen bei
dem über Iwangorod angreifenden russischen Gardekorps teilgenommen hat, zeichnete am
26. Oktober auf, das russische XXV. und XIV. Korps habe in vier Tagen 5000 Gefan¬
gene gemacht (Knox, S. 158). — 3) Näheres über die russischen Operationen siehe S. 494 f.