General v, Falkenhayn beschließt, das Heer nicht weiter zurückzunehmen. 21
Frist in Aussicht. Gegen Mittag empfing General v. Falkenhayn den in
der Frühe des 15. September von seiner Frontfahrt zurückgekehrten^) Chef
der Operationsabteilung, Oberst Tappen, zum Vortrage. Dieser gab eine
zuversichtliche Schilderung der Lage an der Westfront. Auch bei der
1. Armee konnte die Gefahr zur Zeit als gebannt angesehen werden. An-
scheinend waren die Franzosen und Engländer ziemlich „am Ende ihrer
Kraft". Sie hatten nach seiner Ansicht „den Vogen überspannt". Im
Anschluß an diese Ausführungen entwickelte er dem General v. Falkenhayn
den am Abend des 14. September in Witry les Reims mit Generaloberst
v. Vülow verabredeten neuen Angriffsplan'). Die Offensive sollte mit
Hilfe der drei aus der Heeresmitte herausgezogenen und im Anmarsch nach
dem rechten Flügel der 2. Armee befindlichen Korps in den nächsten Tagen
fortgesetzt werden; die 7. Armee und der linke Flügel der 1. hatten sich daran
zu beteiligen. An diese im Räume von Soissons—Fismes—Reims
geplante Offensive knüpften sich weitreichende Hoffnungen auf einen 5lm°
fchwung der Lage. Aus ihr follte sich die Wiederaufnahme der Gesamt-
offensive des Westheeres entwickeln. General v. Falkenhayn setzte nunmehr
Oberst Tappen von seinem in der Nacht entworfenen Operationsplan in
Kenntnis. Gegen diesen sprach sich Oberst Tappen mit großer Bestimmt-
heit aus"). Cr vertrat die Auffassung, daß die der Lage entsprechenden not-
wendigen Anordnungen bereits getroffen seien, und daß es nicht zweckmäßig
wäre, durch abändernde Befehle neue Unruhe in die Truppe hineinzutragen.
Man müsse zunächst einmal das Ergebnis der Offensive bei der Gruppe
Vülow abwarten. Ein weiteres Zurückgehen des rechten Heeresflügels
werde jetzt, nachdem die Krise eben überwunden sei, von der Truppe nicht
verstanden werden. Ob sie den seelischen Auswirkungen eines neuen Rück-
zuges bei dem Mangel an Offizieren und dem schwachen Mannschaftsstande
noch gewachsen sein und dann noch die Kraft in sich finden werde, die
Offensive wieder aufzunehmen, sei zweifelhaft. Vom operativen Gesichts-
Punkt aus müsse es bedenklich erscheinen, die mit Mühe geschlossene Lücke
zwischen der 1. und 2. Armee durch den geplanten exzentrischen Rückzug von
neuem aufzureißen. Lasse man den Feind jetzt los, so gewinne dieser in noch
höherem Maße operative Freiheit, als es schon der Fall sei. Anter Aus-
nutzung seines vortrefflichen und unbeschädigten Bahnnetzes könne er
i) Band IV. S. 480.
-) Band IV. S. 479/480.
3) Nach schriftlichen Mitteilungen des Generalleutnants a. D. Tappen an das
Reichsarchiv vom 2. März 1925. die seinen Aktenvermerk vom 16. September 1914:
„Ich habe mich gegen diese Operation ausgesprochen" erläutern.