Volltext: Der Herbst-Feldzug 1914 ; 1. Im Westen bis zum Stellungskrieg, im Osten bis zum Rückzug (5. 1929)

Wahl der Angriffsfront. 
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Von diesen in den Vorarbeiten des Generalstabes angenommenen 
Verhältnissen wich aber die tatsächliche Lage, in der sich General v. Veseler 
befand, wesentlich und grundlegend ab. Zunächst standen nicht fünf 
Reservekorps, sondern nur drei Divisionen für den Angriff zur Verfügung. 
Außerdem war auch die operative Lage viel ungünstiger, als in dem 
Angriffsentwurf vorausgesetzt war. Die Belagerung war im Westen nicht 
durch andere Verbände gesichert, sondern die Velagerungstruppen hatten diese 
Sicherung gegen Gent und die Küste bei Ostende—Zeebrugge selbst zu über- 
nehmen. Dazu kam, daß General v. Veseler mit seinen schwachen Kräften 
auch noch die rückwärtigen Verbindungen der deutschen rechten Heeresflanke 
zu sichern hatte, d. h. in diesem Sonderfalle hauptsächlich die Gegend von 
Löwen—Vrüsiel. Vei der Nähe der Festung Antwerpen mit dem darin 
befindlichen belgischen Feldheer und angesichts der Möglichkeit, ja Wahr- 
scheinlichkeit, daß die Franzosen und Engländer jetzt nach dem Erfolge an der 
Marne zur See Verstärkungen heranführen würden, um Flanke und Rücken 
der deutschen Heeresfront anzugreifen, war es für das Korps Veseler ge- 
boten, eine Aufstellung zwischen Antwerpen und Brüssel einzunehmen. Von 
hier aus konnte es alsdann auf der inneren Linie offensiv gegen die Belgier 
vorgehen, falls sie versuchen sollten, westlich über Termonde auszuholen 
oder in südöstlicher Richtung gegen die Bahn Löwen—Lüttich vorzustoßen. 
Diese mehr operativen Erwägungen waren für die Wahl der Angriffsfront 
entscheidend; belagerungstechnische oder taktische Gesichtspunkte hätten den 
Angriff von Südwesten oder besser noch von Osten nahegelegt. Wenn 
eine dieser Angriffsrichtungen gewählt wurde, so mußte der Raum Brüssel- 
Löwen freigegeben werden. Um ihn genügend zu decken und gleichzeitig die 
Festung von Osten anzugreifen, reichten die drei verfügbaren Divisionen 
nicht aus. General v. Veseler verschloß sich keineswegs der Erkenntnis, daß 
der Angriff von Süden nach dem Falle der äußeren Fortlinie im verteidigten 
Nethe-Abschnitt neuen Widerstand und eine Stellung des Gegners finden 
würde, deren natürliche Stärke dem Angreifer vielleicht größere Schwierig- 
keiten bereiten würde als die künstlich geschaffene Fortlinie. Aber die Rück- 
sichten auf die Gesamtlage mußten die Bedenken örtlicher und taktischer 
Natur zurückdrängen. General v. Veseler entschied sich daher für den An- 
griff gegen die Südostfront zwischen Großer Rethe und dem Dyle-Kanal, 
d. h. gegen die Fortlinie Lierre—Koningshoyckt—Wavre Ste. Catherine— 
Waelhem. Mit diesem Hauptangriff hoffte er einen Rebenangriff gegen 
die Westfront verbinden zu können. Die Aussicht, von hier aus mit schwerem 
Flachfeuer die Hafenanlagen zu erreichen, erschien ihm so entscheidend, daß 
er trotz der Überschwemmungsgefahr wenigstens den Versuch hierzu machen 
wollte. 
mitftieg. V. Land, 15
	        
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