Volltext: Die Operationen des Jahres 1915 ; [1]. Die Ereignisse im Winter und Frühjahr (7. 1931)

Verschiedenartige Beurteilung der Lage im Osten. 
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Noch ungünstiger beurteilte der Oberbefehlshaber Ost um die Jahres¬ 
wende die Gesamtlage im Osten. Wie er in einer ausführlichen Drahtung 
vom 30. Dezember') an die Oberste Heeresleitung darlegte, versprach er 
sich nichts mehr von der Weiterführung des Angriffs der 9. Armee in West¬ 
polen, da dieser die westlich Warschau stehenden russischen Kräfte voraus¬ 
sichtlich auf die Dauer doch nicht fesseln und eine Verschiebung weiterer 
Kräfte gegen die Front der Verbündeten nicht hindern könne. Generalfeld¬ 
marschall v. Hindenburg beabsichtigte daher, die 9. Armee in den nächsten 
Tagen anzuhalten, zur Verteidigung überzugehen und drei, höchstens vier 
Divisionen zu anderweitiger Verwendung frei zu machen. Über die weiteren 
Operationsmöglichkeiten hieß es in dem Schreiben: Einsehen von 
frischen Kräften in Richtung Kielce—Opoczno bei gleichzeitigem Angriff 
auf der ganzen Front nördlich Krakau müßte sofort erfolgen, wenn er 
durchschlagenden Erfolg haben sollte. Diese Gunst der Verhältnisse liegt 
nicht vor. Osterreich-Angarn braucht zu viel Kräfte für Angarn-Galizien, 
greift nördlich Krakau nicht an. 9. Armee kann aber keine Kräfte abgeben, 
wenn sie weiter angreifen soll. Einer späteren Offensive in Richtung 
Kielce—Opoczno mit neuen erheblichen Verstärkungen aus Deutschland 
kann Erfolg kaum zugesprochen werden. Das Einsetzen von Kräften in 
Richtung Mlawa—Warschau hat jetzt keinen Erfolg mehr, da hier die 
Russen Stellung hinter Stellung anlegen. Geringe Kräfte können wirkungs¬ 
voll in Ostpreußen eingesetzt werden, sofern die Notlage Osterreich-Angarns 
nicht eine unmittelbare Unterstützung bedingt, wie dies leider erwartet 
werden muß. Diese Notlage Österreich-Ungarns ist der springende Punkt 
in den Operationen des Ostheeres geworden und wird es immer mehr; 
darüber darf keine Täuschung walten. Sie kann nur durch erhebliche und 
vollwertige Verstärkungen durch Deutschland unter energischen deutschen 
Führern ausgeglichen werden, die der österreichisch-ungarischen Armee un¬ 
mittelbar zugeführt werden müssen, sei es für Verstärkung ihrer Front, sei 
es auf dem rechten Flügel." 
Der Oberbefehlshaber Ost stimmte also mit dem österreichisch-ungari¬ 
schen Generalstabschef darin überein, daß der Neueinsah starker deutscher 
Kräfte auf dem östlichen Kriegsschauplatz unbedingt erforderlich sei. 
Während aber General v. Conrad sich davon eine vollkommene Wendung 
der Lage zugunsten der Mittelmächte versprach, sah Generalfeldmarschall 
v. Hindenburg darin nur das unerläßliche Mittel, um der Front des Ver¬ 
bündeten auf die Dauer ausreichende Stützung zu gewähren. 
Bei der bereits erwähnten^) Besprechung am 1. Januar 1915 in i. Januar. 
9 Band VI, S. 363 ff. — -) S. 4 f.
	        
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