Meinungsaustausch zwischen Falkenhayn und Conrad.
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Wenige Tage später, am 16. Januar, nahm auch der Generalstabs¬
chef der verbündeten Wehrmacht Veranlassung, in einer ausführlichen
Drahtung an General v. Falkenhayn den Einsatz der deutschen Neu¬
formationen an der Ostfront aufs neue zu befürworten^). General v. Conrad
ging davon aus, daß es das gemeinsame nächste Ziel sein müsse, „die
russische Armee mit aller Kraft so niederzukämpfen, daß ihr Erneuerung
der Offensive auf lange Zeit unmöglich gemacht und uns die Freiheit ge¬
geben wird, unsere Kräfte gegen andere Feinde zu verwenden". Diesem
Zweck sollte die bevorstehende Karpaten-Offensive dienen. Von ihr allein
versprach sich indessen General v. Conrad noch keine ausreichende Wirkung:
„Selbst nach Erreichen der San-Linie würden starke russische Kräfte im
Weichselbogen etwa in der Linie Sandomierz—Kielce—Konskie—Opoczno
und westlich Warschau verbleiben und immer die latente Drohung einer
neuerlichen feindlichen Offensive in sich schließen." Am dies zu verhindern
und die so erwünschte Handlungsfreiheit zu gewinnen, sei es „unbedingt
notwendig, auch den russischen Nordflügel niederzuwerfen und hinter die
Weichsel endgültig zurückzuzwingen". Dazu bedürfe es des einheitlichen
Einsatzes der neuen deutschen Korps. Insoweit deckte sich also die Auf¬
fassung des Generals v. Conrad vollkommen mit der des Oberbefehlshabers
Ost. Nur in der Frage, an welcher Stelle der Einsatz der Neuformationen
erfolgen sollte, gingen die Ansichten auseinander. Zwar verwarf General
v. Conrad jetzt seinen um die Jahreswende gemachten Vorschlag, die Ver¬
stärkungen in Westpolen südlich der 9. Armee am Nordflügel der Armee
Woyrsch einzusetzen, doch empfahl er in Abweichung von der Auffassung
des Oberbefehlshabers Ost eine Offensive in der Richtung Mlawa—
Pultusk über den Narew, von der er im Zusammenhange mit der eigenen
Offensive den Rückzug der gesamten russischen Streitkräfte hinter die
Weichsel erhoffte. Cs war dieselbe „polnische Zange", von der er schon
bei Kriegsbeginn den Sieg erwartet hatte.
General v. Falkenhayn antwortete am 17. Januar: „Mit dem dort
im ersten Satz aufgestellten gemeinsamen nächsten Ziel bin ich völlig ein¬
verstanden. Dagegen halte ich es für wenig wahrscheinlich, daß die Rüsten,
wenn sie in Galizien über den Dniester- und San-Abschnitt zurückgedrängt
sein sollten, mit nennenswerten Kräften auf dem linken Weichsel-Afer in
Polen stehenbleiben würden. Dies hindert aber nicht, daß ich an der
Absicht, die neuen deutschen Korps im Osten einzusetzen, unbedingt fest¬
halte. Nur eine ganz unwahrscheinliche Verschiebung der Lage hier im
Westen könnte daran etwas ändern. Der Einsatz der neuen Korps in
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