4 Die deutsche Oberste Heeresleitung zu Beginn des neuen Operationsabschnittes.
Truppen jederzeit verschärft werden konnte. Die Abschließung von Ant-
werpen durch das III. und IX. Reservekorps war notwendig. So
erwünscht es an sich gewesen wäre, den Küstenstrich vom Feinde zu säubern,
so fehlten dazu vorläufig doch die Kräfte. Die Gefahr von dort erschien
auch keineswegs dringend. Was noch von belgischen Truppen an der Küste
stand, war jedenfalls nicht viel. Auch die Engländer konnten in den nächsten
Wochen höchstens noch zwei bis drei Divisionen auf das Festland ent-
senden, dann auf lange Zeit voraussichtlich so gut wie nichts mehr. And
diese Truppen würden wahrscheinlich doch zur Verstärkung ihres in der
französischen Front stehenden Expeditionskorps Verwendung finden. Die
im Rückengebiet des deutschen Heeres im Augenblick vorhandenen und in
Zukunft drohenden Gefahren bedeuteten nichts gegenüber der Notwendig-
keit, die lebendige Kraft des feindlichen Landheeres, die sich in den fr an-
zösischen Armeen und im englischen Expeditionskorps verkörperte, endgültig
zu zerschlagen. Diese Aufgabe erforderte aber vorläufig noch den zusammen-
gefaßten Einsatz aller irgend verfügbaren Kräfte des Feldheeres. Daß
später die Inbesitznahme der nordsranzösisch-belgischen Küste für die Fort-
sührung des Krieges gegen das britische Inselland von höchster Wichtigkeit
werden würde, unterlag keinem Zweifel.
In der großen Grenzschlacht, die am 20. August mit dem Vegegnungs-
kämpf in den Vogesen und in Lothringen begonnen und sich dann längs
der belgifch-französischen Grenze bis hinunter in die Gegend von Namur
und Möns fortgesetzt hatte, war die von der deutschen Obersten Heeres-
leitung erhoffte und erstrebte Feldzugsentscheidung nicht gefallen. Das
franzöfifch-englische Heer war zwar auf der ganzen Linie geschlagen und zum
Teil schwer erschüttert worden, doch hatte sein linker Flügel durch recht-
zeitigen Rückzug nach Südwesten sich der drohenden Einkreisung zu ent-
ziehen vermocht; die Mitte leistete am Maas-Abschnitt von Sedan bis
Verdun noch Widerstand, der rechte Flügel hatte in Französisch-Lothringen
nicht nur die Verfolgung der Deutschen zum Stehen gebracht, sondern war
am 25. August zu neuer Offensive aus der Richtung von Nancy und süd-
lich davon hervorgebrochen. Die hierdurch für die deutsche 6. Armee hervor-
gerufene Gefahr durfte nach Meldung des Kronprinzen Rupprecht von
Bayern am Mittag des 27. August als behoben angesehen werden. Damit
war auf diesem Flügel die Gleichgewichtslage eingetreten.
Auf Grund dieses Gesamteindrucks entwarf die deutsche Oberste
Heeresleitung am 27. August „AllgemeineAnweisungen an
die 1. bis 7. Armee für den Fortgang der Operationen".
Sie enthielten zunächst eine eingehende Beurteilung der Lage des Feindes:
„Der Gegner", so hieß es, „hat, in drei Gruppen gegliedert, die deutsche