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Die Schlacht bei Lemberg und die Räumung Ostgaliziens.
Angriff überzugehen. Gerade hier begünstigten die zahlreichen von Norden
kommenden Zuflüsse des Dnjestr die Abwehr, und nach der Gesamtlage
war hier, besonders bei dem verspäteten Eintreffen und teilweisen Ausfall
der 2. Armee, größere Zurückhaltung geboten. Eine irrige Auffassung
vom Gegner aber führte gerade an dieser Stelle zu einem Unternehmen,
das kaum gut enden konnte.
Vom österreichisch-ungarischen Armee-Oberkommando wurde in dem
Ausbleiben der deutschen Offensive aus Sjedlez der entscheidende Gmnd
für die eigene Niederlage erblickt. Abgesehen davon, daß eine solche Offen¬
sive ohne vorherige Abrechnung mit der russischen Njemen-Armee nicht
durchzuführen war, darf demgegenüber doch auch daraus hingewiesen
werden, daß der 1909 verabredete Zweck der damals zugesagten Offensive
gegen den Nareu?1): die russische 1. und 2. Armee dem galizischen Kriegs¬
schauplatz fernzuhalten, von der deutschen 8. Armee in Ostpreußen, trotz dem
Rückzüge von Gumbinnen, voll erreicht worden ist. Sie hatte bis zum
10. September russische Kräfte in Stärke von 36V2 Divisionen Infanterie
aus sich gezogen und gefesselt. Wenn General v. Conrad eine noch weiter
gehende Einwirkung von ihr erwartete, so war das mehr, als Deutschland
angesichts der Kräfteverhältnisse im Osten leisten konnte.
Bei alledem darf aber nicht übersehen werden, daß sich das Heer
der Donaumonarchie in den August- und Septemberschlachten des
Jahres 1914 unter Einsatz seiner ganzen Kraft tapfer geschlagen hat.
Seine bedeutende Unterlegenheit vor allem an Artillerie — zuletzt war
das Verhältnis etwa 2:3 — hat die Schwierigkeiten seiner Ausgabe ge¬
waltig gesteigert. Der hervorragende Anteil, den bei ihrer Überwindung
in Angriff und Abwehr vor allem das Offizierkorps und die deutschen
Truppenteile, dann aber auch die ungarischen und manche andere ge¬
habt haben, soll hier ausdrücklich anerkannt werden.
i) S. 8 ff.