Die Russen am 7. und 8. September.
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front am 8. September schwankend: General v. Rennenkampf, der
zwar selbst seine Lage bisher für sicher hielt, sollte nötigenfalls auf Gum¬
binnen ausweichen, die Korps der 10. Armee „im Falle des Vormarsches
bedeutender feindlicher Kräfte" auf Augustow und Grajewo. Noch an
demselben Tage aber wechselte die Auffassung wieder, vielleicht unter dem
Einflüsse der Obersten Heeresleitung, insbesondere wohl des Großfürsten
Nikolaus Nikolajewitsch. Der Großfürst rechnete damit, „daß die 1.Armee
ihre Stellung mit größter Hartnäckigkeit verteidigen wird, was angesichts
der dieser Tage an der Südwestsront erwarteten Entscheidung nötig er¬
scheint". Die Stärke des deutschen Südflügels in Ostpreußen wurde nur
gering veranschlagt. Von der 10. Armee sollte nunmehr das XXII. Korps
die Enge von Nikolaiken besetzen, das III. sibirische Korps wurde von Süden
gegen Bialla—Iohannisburg angesetzt. Gelang es, den Südflügel des
deutschen Vormarsches zum Stehen zu bringen, so schien für die linke
Flanke der 1. Armee jede Gefahr beseitigt.
Diese Weisungen führten dazu, daß von der 10. Armee noch am
8. September abends alle verfügbaren Teile des XXII. Korps (etwa
2 Brigaden) von Lyck nach Westen antraten, gegen Flanke und Rücken der
aus Arys marschierenden deutschen Truppen. Das III. sibirische Korps
aber begann erst zu dieser Zeit, sich bei Grajewo zu sammeln, nachdem
seine 8. Schützen-Division in den Narew-Plätzen durch die Ansänge des
I. turkestanischen Korps abgelöst worden war.
Inzwischen war auch die 2. Armee angetreten. Der neue Ober¬
befehlshaber, General der Kavallerie Scheidemann (bisher Komman¬
dierender General des II. Korps), verfügte, ohne die Festungsbesatzungen,
über etwa 5y2 Infanterie-Divisionen (I. und VI. Korps, eine In¬
fanterie-Division vom XXIII. Korps, 1. Schützen - Brigade) und über
3 Kavallerie-Divisionen (4., 6. und 15.). Diese Kräfte waren bis dahin
auf die reine Abwehr an der Narew-Linie eingestellt gewesen und trotz
der Schwäche der hier angesetzten deutschen Landwehr-Abteilungen auf
die Flußlinie zurückgewichen. Große Angrifsskrast hatte sie nach allem,
was vorhergegangen war, nicht mehr. Trotzdem sah man davon ab, Teile
der von der Obersten Heeresleitung als „Abteilung Warschau" und als
Festungsbesatzung bestimmten Verbände zum Angriff mit vorzuführen.
So blieben zum Schutze Warschaus die ganze 59. und 77. Reserve-
Division nebst l3/, Kavallerie - Divisionen und in Nowogeorgiewsk die
79. Reserve-Division stehen. Außerdem aber sollte auch noch die
1. Schützen-Brigade bei Pultusk zur Deckung der dortigen Narew-Über¬
gänge zurückbleiben. So wurden fünf bereits bei Tannenberg schwer
geschlagene Infanterie-Divisionen gegen den Feind geführt, während