Die russische Narew-Armee am 23. und 24. August.
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An demselben Tage, dem 24. August, hatte das Oberkommando der
Heeresgruppe, das die Narew-Armee schon einmal auf ihre übermäßige
Frontbreite und die Verzettelung der Kräfte hingewiesen hatte, diese noch¬
mals ernstlich ermahnt, die Korps enger zusammenzuhalten, um eine gegen¬
seitige Unterstützung beim Gefecht zu ermöglichen. General Samsonow,
der nach dem Kampfe vom 2Z./24. den Eindruck hatte, daß das deutsche
XX. Korps in nordwestlicher Richtung aus Osterode ausgewichen sei, und
auch, mit Rücksicht auf den Abzug der Deutschen von der Angerapp, mehr
gegen die Weichsel zu vorhalten wollte, entschloß sich daraufhin, alle zu
seiner freien Verfügung stehenden Kräfte nach Westen zusammenzuziehen
und die Armee nun doch gegen Allenstein—Osterode (statt wie besohlen
gegen Sensburg—Allenstein) vorzuführen. Dazu sollte das VI. Korps
nach Allenstein heranrücken. Das Oberkommando der Heeresgruppe
billigte zwar jetzt die Änderung der Vormarschrichtung, befahl aber
nunmehr seinerseits, daß ein Korps mit Kavallerie auch weiterhin bei
Sensburg gegen die Seen-Enge von Lötzen decken solle; schließlich war
es aber auch mit dem Gegenvorschläge Samsonows einverstanden, das
VI. Korps dazu bei Bischofsburg zu lassen. Es blieb damit näher bei der
übrigen Armee. Dieses Festhalten des VI. Korps und der 4. Kavallerie-
Division bedeutete jedoch eine neue Schwächung der Angrifssarmee. Es
läßt sich wohl nur dadurch erklären, daß die Heeresgruppe bei Lötzen
noch stärkere deutsche Kräfte vermutete.
So hatte General Samsonow jetzt nur über drei Korps seiner
Armee frei zu verfügen. Sie sollten, nach den vorhergegangenen An¬
strengungen und nach den Kämpfen des XV. Korps, am 25. August
nur einen kleinen Marsch nordwärts machen und — wie auch dem deut¬
schen Oberkommando aus dem aufgefangenen Funkspruch bekannt wurde
— die Linie Gimmendorf—Kurken—Paulsgut—Gr.-Gardienen erreichen.
Das XV. Korps führte aber infolge eines Mißverständnisses auch diesen
kurzen Marsch nicht aus, sondern blieb stehen, ebenso die ihm inzwischen
unterstellte 2. Infanterie-Division (vom XXIII. Korps).
Immer mehr machten sich die Übermüdung der Truppen und Nach¬
schubschwierigkeiten bemerkbar^. Das XIII. Korps hatte in den 12 Tagen
vom 13. bis zum 24. August 250 km, meist auf Sandwegen, in der August-
hitze zurückgelegt, das XV. Korps in 10 Tagen vom 14. bis 23. August
215 km und hatte dann gekämpft. Die 3. Garde-Infanterie-Division
vom XXIII. Korps war noch zurück. Unter diesen Umständen sah der
Generalstabschef der Armee, General Postowski, wie er dem beim Ober-
*) Ausführlich bei Zichowitsch im Sbornik, Heft 3, S. 128.
weltiiieg. II. Banb.
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