20. August. — Die Lage am Abend.
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weniger die Gefahren als die Möglichkeiten des Erfolges im Auge hatte,
keinen Raum mehr fand. — Wäre die Schlacht durchgekämpft worden,
so wie Generalmajor Grünert und Oberstleutnant Hosfmann es vor¬
geschlagen hatten, so wäre, wie wir heute auf Grund genauer Kenntnis
der tatsächlichen Lage fast mit Sicherheit feststellen könne,:, am 21. August
1914 ein Sieg errungen worden!
Bei Beginn des Kampfes am 20. August früh hatten einander —
bisherige Abgänge ungerechnet, aber deutscherseits ohne 2. Landwehr-
Brigade — auf dem Schlachtfelds gegenübergestanden:
Bataillone Schwadronen Maschinengewehre Geschütze
Deutsche ... 106 55204 508
Russen1) ... 86 130V2 252 408
Ein für die deutsche Seite so günstiges Stärkeverhältnis ist in späteren
Schlachten nie wieder erreicht worden.
Am Abend des Tages war der Zustand und die Lage der russischen
Armee für die Fortsetzung des Kampfes recht ungünstig:
Im Norden fühlte sich das Kavalleriekorps schon durch die Kämpfe
am 19. August und den nächtlichen Rückzug so mitgenommen, hatte
angeblich auch so viel Munition verbraucht, daß es sich am 20. überhaupt
nicht am Gefechte beteiligte. Es lag den ganzen Tag über nur etwa
9 km östlich Kraupischken still2). Die 1. selbständige Kavallerie-Brigade
war bis an die Grenze zurückgegangen. Die zahlenmäßige Überlegenheit
der russischen Reiterei aus dem Rordslügel siel unter diesen Umständen
nicht mehr sehr ins Gewicht. Die deutsche 1. Kavallerie-Division aber
stand siegreich bei Pillkallen. — Vom russischen XX. Korps war die nörd¬
liche, 28. Infanterie-Division in voller Auslösung. Ihre gesamte Artillerie
bis auf eine Batterie, die zusammengeschossen in deutsche Hände siel,
und drei Infanterie-Regimenter mit ihren Kommandeuren waren bis
Wirballen geflüchtet. Die Verluste betrugen über 7000 Mann. Viel
kann von dieser Division nicht mehr übrig gewesen fein3). So hätte
die deutsche 2. Infanterie-Division leichtes Spiel gehabt, wenn sie den
Angriff am 20. August nachmittags weiter fortgesetzt oder am 21. August
früh wieder aufgenommen hätte. — Reserven hinter der russischen
Front fehlten, die vorderste Reserve-Division trat, ohne ihr letztes In¬
st Radus-Senkowitsch im Sbornik, Heft 3, S. 95. — Dabei fehlen an der Gesamt¬
stärke der Armee 22 Bataillone, 9st2 Schwadronen, 20 Maschinengewehre. Wo sie sich
während der Schlacht befanden, ist nicht bekannt.
2) Ebenda, S. 83.
3) Ebenda. — Ferner: Strategischer Überblick, S. 72. — Knox, S. 88.
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