20. August. — Die Nachricht vom Vormarsch der Narew-Armee.
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5® nachmittags, ob es nicht nötig sein werde, die Schlacht abzubrechen
und zurückzugehen.
Die Verhältnisse an der ostpreußischen Südsront drängten
allerdings zu baldigem Abschluß bei Gumbinnen: Aus russischen Funk¬
sprüchen war zu erkennen gewesen, daß das I., VI., XIII., XV., XXIII.
Korps und die 15. Kavallerie-Division zur Narew-Armee gehörten. Die
bisher bei Lomsha und Ostrolenka beobachteten Kräfte hatten den Vor¬
marsch am 19. und 20. August fortgesetzt und von Friedrichshos bis
Chorshele die Grenze erreicht. Außerdem aber war neuer Feind weiter
westlich bei Prasnysch erkannt worden. Als Generaloberst v. Prittwitz
um 230 nachmittags persönlich am Fernsprecher beim Generalkommando
des XX. Armeekorps anfragte, meldete ihm der Generalstabschef des
Korps, Oberst Hell, man schätze den Gegner bis jetzt auf 2 bis russische
Korps und 2 Schützen-Brigaden. Das XX. Armeekorps rechne auf keine
Unterstützung. Die Hauptsache sei, daß bei Gumbinnen gesiegt werde,
„hier werden wir schon halten". Dazu wollte der Kommandierende
General v. Scholtz, um den russischen Westflügel anzugreifen, seine
Kräfte nach Neidenburg verschieben. Aber um 7° abends erhielt das
Oberkommando eine weitere Nachricht vom Generalmajor v. Unger, dem
Führer der Festungstruppen bei Soldau: Flieger hatten um Mittag
den Vormarsch langer Kolonnen aus der Straße Warschau—
Pultusk—Zjechanow bis 10km südlich Mlawa erkannt, außer¬
dem Truppen bei Nassjelsk. Hier war mindestens ein weiteres
Korps im Anmarsch.
Diese Meldungen warfen alle bisherigen Berechnungen des Armee-
Oberkommandos über den Haufen: Die ganze Narew-Armee schien
jetzt in vollem Anmarsch, sie dehnte sich viel weiter nach Westen aus,
als man bisher angenommen hatte. Das deutsche XX. Armeekorps und
die Festungstruppen waren allein nicht imstande, acht russische Divisionen
(einschließlich zwei Schützen-Brigaden) auszuhalten. Die schon im Bericht
an die Oberste Heeresleitung vom 9. August für den Angriff gegen
die Njemen-Armee geforderte Voraussetzung, daß eine Bedrohung aus der
Linie Prasnysch—Ostrolenka ausgeschlossen sein müsse, war nicht mehr
erfüllt. Die Basierung der Armee aus die Weichsel war in Frage
gestellt. Man konnte nach Königsberg abgedrängt werden. Generaloberst
v. Prittwitz und Generalmajor Gras v. Waldersee erinnerten sich der
Warnung, die ihnen Generaloberst v. Moltke gerade in dieser Hinsicht
mit aus den Weg gegeben hatte. Beide waren daher sofort entschlossen,
den Kamps bei Gumbinnen, an dessen erfolgreichem Ausgang sie
ohnehin zweifelten, abzubrechen und die Armee nach Westen zurück-
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