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Der Feldzugsplan im Jahre 1914.
Für den Fall, daß der Handstreich gegen Lüttich nicht sofort gelang,
sollten sich die zunächst beteiligten Truppen bei Lüttich behaupten. Je
nach der Lage hatte sich dann der Oberbefehlshaber der 2. Armee zu ent¬
scheiden, ob die Festung durch Wiederholung des Handstreichs mit
stärkeren Kräften und Mitteln oder nur auf dem Wege eines belagerungs¬
mäßigen Angriffs genommen werden sollte.
Bei Wiederholung des Handstreiches konnte die Unternehmung voraus¬
sichtlich am 10. Mobilmachungstage vor sich gehen. Der 2. Armee standen
dazu sämtliche Straßen zwischen der holländischen Grenze nördlich Visö
und Namur zur Verfügung. Gelang der Handstreich diesmal, so änderte
sich an der beabsichtigten Durchführung der Versammlung der drei Armeen
des rechten Flügels im wesentlichen nichts.
Entschloß sich hingegen der Oberbefehlshaber der 2. Armee, von einer
wiederholten gewaltsamen Unternehmung gegen Lüttich Abstand zu nehmen,
oder gelang auch diese nicht, so war der planmäßige Angriff durch
Reserve- und Belagerungsformätionen der 2. Armee, erforderlichenfalls
unter Verstärkung durch Belagerungsformationen aus Köln, unverzüglich
einzuleiten. In diesem Falle war die 2. Armee, soweit nicht Teile von ihr
zur Belagerung verwendet wurden, in Höhe von Lüttich aus die südlich
um die Festung herumführenden Marschstraßen zu setzen, Huy spätestens
jetzt in Besitz zu nehmen. In der Bereitstellung der 1. und 5. Armee war
eine Veränderung nicht vorgesehen.
Auf die Versammlung der 4. Armee waren die Vorgänge in Belgien
voraussichtlich ohne wesentlichen Einfluß. Das XVIII. und VI. Armee¬
korps dieser Armee, ebenso wie der linke Flügel der 3. Armee, waren an¬
gewiesen, ihre ausgeladenen Truppen zum Schutze der luxemburgischen
Eisenbahnen, die deutsches Eigentum waren, in das Großherzogtum vor¬
zuschieben und innerhalb der ihnen zugewiesenen Aufmarschbezirke die bis
dahin im Bahn- und Grenzschutz stehenden Teile des VIII. Armeekorps
und der Höheren Kavalleriekommandeure 1 und 4 abzulösen. Da man
damit rechnete, daß die nach Luxemburg vorgeschobenen Kräfte durch
einen frühzeitigen französischen Vormarsch bedroht werden könnten, war
der 4. Armee empfohlen, die Alzette mit den Hauptkräften vorläufig
nicht zu überschreiten.
Der Aufmarsch der 5. Armee stützte sich in der Front aus die Festungen
Diedenhofen und Metz. Beide sollten ihr unmittelbar unterstellt werden,
ebenso wie die durch Armierungsarbeiter mit der Front nach Südosten
und Osten auszuhebende befestigte Feldstellung an der Nied. Als
Besatzung dieser Stellung waren die fünf Landwehr-Brigaden der
5. Armee sowie zwei Landwehr-Brigaden und acht 10 ow-Kanonen-