Beabsichtigte Wegnahme von Lüttich.
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daß eine Bedrohung der deutschen Küsten nicht eintrat, war der Ab¬
transport des IX. Neservekorps, unter Umständen auch der gemischten Land¬
wehr-Brigaden, je nach der Lage vom 9. Mobilmachungstage an nach dem
Osten oder vom 11. Mobilmachungstage an nach dem Westen vorgesehen.
Die Verwendung von sechseinhalb mobilen Ersatz-Divisionen *)konnte
geschlossen oder geteilt aus dem westlichen, östlichen oder nördlichen Kriegs¬
schauplatz erfolgen. Ihr Abtransport aus den Ausstellungsorten war vom
12. Mobilmachungstage an möglich.
Auf dem rechten deutschen Heeresflügel hing der Aufmarsch eng zu¬
sammen mit den sofort zu beginnenden Operationen. Es war von aus¬
schlaggebender Bedeutung, daß für den Vormarsch der 1. und 2. Armee
die durch die Festung Lüttich gesperrten Marschstraßen rechtzeitig geöffnet
wurden. Gestattete Belgien den Durchmarsch des deutschen Heeres, so
sollte der Kommandierende General des der 2. Armee unterstellten
X. Armeekorps mit vorausbeförderten Truppen sofort Lüttich in Besitz
nehmen. Widersetzte sich Belgien, so mußte Lüttich gewaltsam genommen
werden. Hierfür war in erster Linie ein Handstreich ins Auge gefaßt und
vorbereitet. Er sollte durch sechs für diesen Zweck zusammengesetzte In¬
fanterie-Brigaden mit Artillerie, Kavallerie und Pionieren ausgeführt
werden. Diese Truppen sollten in ihrer Friedenszusammensetzung marsch¬
bereit gemacht und so beschleunigt abbefördert werden, daß sie schon am
3. Mobilmachungstage vormittags in der Gegend von Aachen, Eupen und
Malmedy zum Vormarsch über die Grenze bereit standen.
Nach gelungenem Handstreich war Lüttich zur Verteidigung einzu¬
richten, während das Oberkommando der 2. Armee die inzwischen aus¬
geladenen Truppen der Armee- und Neservekorps auf den ihnen zuge¬
wiesenen Marschstraßen mit den Hauptkräften bis in Höhe der Festung
vorführen und dort den Aufmarsch der Armee regeln sollte. Das Maas-
Fort Huy war in Besitz zu nehmen. Die nördlich Lüttich durch Belgien
führenden Marschstraßen mußten möglichst bald für die 1. Armee frei¬
gemacht werden, da diese sich über Aachen durch den schmalen Raum
zwischen Eupen und der holländischen Grenze hindurchschieben und nördlich
Lüttich bereitstellen sollte. Hierbei war der Übertritt des IX. Armeekorps
von der 2. zur 1. Armee vorgesehen. Die 3. Armee hatte sich inzwischen
östlich der frühzeitig zu sichernden Bahnlinie Vielsalm—Bastogne zum
Vormarsch zu versammeln. Das weitere Vorrücken wollte die Oberste
Heeresleitung anordnen.
’) Garde-, 4., 3., 10., 19. und bayerische Ersatz-Division, 55. gemischte Ersatz-Brigade.