Volltext: Dokumentarium zur Vorgeschichte des Weltkrieges 1871-1914

Bismarck an Auswärtiges Amt, 31.8. 1879 
sers Alexander nicht begeben, bevor letzterer nicht in Preußen ge- 
wesen ist. v. Bismarck 
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Gr. Pol., Bd. III, Nr. 455 
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Gastein, 
an Kaiser Wilhelm TI. 
Ausfertigung 
Gastein, den 31. August 1879 
Euere Majestät wollen Sich huldreichst erinnern, daß ich inner- 
halb der letzten fünf Jahre in Berichten und Briefen wiederholt die 
Gefahren hervorgehoben habe, von welchen Deutschland durch 
Koalitionen anderer Großmächte bedroht sein kann. Die Kriege, 
welche Euere Majestät seit 1864 zu führen genötigt waren, haben 
in mehr als einem Lande die Neigung hinterlassen, im Bunde mit 
anderen Mächten Revanche zu nehmen und den Kristallisations- 
punkt zu Koalitionen abzugeben, wie deren eine dem Aufstreben 
Preußens im Siebenjährigen Kriege gegenübergetreten war. In jüng- 
ster Zeit war es besonders die Eifersucht des Fürsten Gortschakow 
auf Deutschlands Erfolge, welche unsere Gegner zunächst diploma- 
tisch zu einigen suchte, Mein russischer Kollege hat, soviel er 
konnte, seit bald nach dem Frieden, daran gearbeitet, mit unseren 
Gegnern Anlehnung zu gewinnen, und namentlich mit Frankreich. 
Er hält die Komödie von 1875, wo er Frankreichs Bedrohung durch 
Deutschland und seine Rettung durch Rußland, im Bunde mit dem 
damaligen französischen Botschafter Gontaut-Biron fingierte und 
diese Fiktion langer Hand vorbereitete, noch heute in der franzö- 
sischen Presse aufrecht*. In der Zeit vor dem türkischen Kriege 
war er bestrebt, einerseits das Vertrauen des Kaisers Alexander auf 
Preußen, andererseits unsere Beziehungen zu Österreich zu unter- 
graben, um seiner Koalitionspolitik nach beiden Seiten hin die Wege 
zu ebnen. In Rußland fand diese antideutsche Politik nur bei dem 
Kaiser Alexander damals noch Widerstand, da sonst eine deutsche 
Partei in Rußland nicht mehr existiert. Österreich aber nahm den 
Versuch, zunächst innerhalb des Drei-Kaiser-Bundes eine russisch- 
österreichische Intimität herzustellen, mit Mißtrauen auf. Wenn 
auch für die Anhänger österreichischer Revanchepolitik ein Bündnis 
mit Rußland etwas Lockendes haben konnte, da es jederzeit durch 
Frankreich verstärkt werden konnte, um auf Deutschland diploma- 
tisch und politisch einen übermächtigen Druck zu üben, so kamen 
diese Bestrebungen doch nicht auf gegen die besonnenere An- 
drässysche Politik, welche voraussah, daß, nach der Überwindung 
* Vgl. Gr. Pol., Bd. I, Kapitel VII 
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