Prinz Heinrich VII. Reuß an Bismarck, 19.9. 1879
anderen Vertragsmächte im gleichen Sinne handeln würden. Für
eine solche Politik gemeinschaftlich zu wirken, habe man sich gegen-
seitig verpflichtet und hoffe, daß Rußland getreu an den alten
freundschaftlichen Beziehungen haltend, sich dem ‘ anschließen
werde etc. etc.
Es sei nötig, England ebenfalls Aufklärung in diesem Sinne zu
geben. Schon um Englands willen sei es nicht wohl möglich, ein
generelles Abkommen abzuschließen, welches Rußland mitgeteilt
werden würde. Denn dort würde man in dem „ungenannten‘ Feinde
sofort Frankreich erkennen wollen, und dies könne sehr üble Folgen
haben. England zu menagieren, sei aber bei heutiger Sachlage ein
ebenso großes Interesse Österreichs wie Deutschlands.
Graf Andrässy hofft, daß Euere Durchlaucht seine Ideen noch
besser ausführen möchten, als er dies imstande sei, und wünscht,
daß es gelingen möge, Seine Majestät den Kaiser von der Notwendig-
keit und von dem großen Gewinne, den dieses beabsichtigte Abkom-
men für das Deutsche Reich haben wird, zu überzeugen.
H. VII. P. Reuß
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Gr. Pol., Bd. III, Nr. 481
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Wien, an den Rat
im Kaiserlichen Gefolge Otto von Bülow, z. Z. in Metz
Privatbrief. Eigenhändiges Konzept; unsigniert
‚Wien, 24. September 1879
Indem ich Ew. Hochwohlgeboren das Ergebnis meiner hies[igen]
Besprechungen zu gef. Immediatvortr[ag] übersende, bemerke ich er-
gebenst, daß ich aus Gründen der Kourtoisie u[nd] des persönl[ichen]
Gefühls in dem amtl[ichen] Aktenstück nicht ausgesprochen habe,
daß ich im Falle der Ablehnung der öst[er]r[eichischen] Vorschläge
durch S[eine] M[ajestät], die Verantwortung für unsere Politik nicht
weiter würde tragen können. Ich bin mir darüber in diesen sorgen-
vollen Wochen vollständig klar geworden. Auch abgesehn von der
Erschöpfung meiner Kräfte, die mich der Ruhe dringend bedürftig
macht, bin ich aus Gewissensgründen ‚fest entschlossen, mich von
jeder Verantwortung für die durch Ablehnung des öst[er]r[eichischen]
Anerbietens bedingte Politik frei zu halten. Es leitet mich bei diesem
Entschlusse nicht bloß die Überzeug[un]g von der Unmöglichkeit,
die Friktion zu überwinden, welche von der geschäftl[ichen] Arbeit
unzertrennlich ist, sobald ich mir die leitenden Grundgedanken der
Politik S[einer] M[ajestät] nicht anzueignen vermag, ich habe mit
meiner Gesundheit und mit meinen Kräften im Allerh[öchsten] Dienst
niemals gegeizt; es leitet mich vielmehr die Überzeugung, daß die
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