Volltext: Die Ereignisse von August bis zur Jahreswende ; 5 : Das Kriegsjahr 1916 ; 2 ; [Textbd.] ; (5 : Das Kriegsjahr 1916 ; 2 ; [Textbd.] ;)

Die habsburgischen Völker und der Krieg 
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denen Friedens- und Hungeraufmärsche des dritten Kriegssommers be¬ 
wiesen, in den Massen immer mehr an Boden. 
Erzeugten in dem national einheitlichen Industriereich Deutschland 
die Kriegsnöte vor allem soziale Spannungen, so überwogen in dem 
Völkerreiche an der Donau die Auswirkungen des Krieges naturgemäß 
auf nationalem Gebiete. 
Wohl hatte es bei Kriegsausbruch, wenn auch die Wellen der Be¬ 
geisterung nicht überall so hoch gegangen waren wie in Deutschland, 
den Anschein gehabt, als sollte Bismarck mit dem bekannten Worte 
Recht behalten: „Lasset nur den Kaiser Franz Joseph in den Sattel stei¬ 
gen, und die Söhne aller Völker seines Reiches werden ihm willig 
Gefolgschaft leisten." Die Leistungen der Armee waren denn auch weit 
über den Sommer 1916 hinaus trotz alles Mißgeschicks, das zeitweilig 
über sie hereinbrach, so groß, daß man ihrer nur mit scheuem Erstaunen 
gedenken kann. Aber doch zeigte es sich schon einige Monate nach 
Kriegsausbruch, daß der von Bethmann-Hollweg in einer unglücklichen 
Eingebung als Entscheidungskampf zwischen Germanen- und Slawentum 
vorausgesagte Kriegx) mit der Zeit zu einer wahrlich nicht geringen 
Belastungsprobe für das Donaureich werden konnte. Die Vorfälle in den 
von den Ruthenen und den Serben bewohnten Aufmarschräumen des 
Heeres, die auf mancherlei Einverständnis mit dem blutsverwandten 
Feinde schließen ließen; die Bewegung, die das Nahen der Russen im 
Herbst 1914 in den böhmischen Landen auslöste2), die Erfahrungen, die 
im darauffolgenden Winter die Armee mit der jungen Mannschaft slawi¬ 
scher und romanischer Zunge machte (Bd. II, S. 27 ff.), sprachen, mochte 
es sich auch vielfach um Einzelfälle handeln, mitunter doch eine beredte 
Sprache. Wohl rechnete in den ersten Kriegs jähr en auch dort, wo die 
nationale Unzufriedenheit zu Hause war, nur ein vergleichsweise kleiner 
Bruchteil der Intellektuellen von Anbeginn mit dem Zerfall des Reiches; 
wohl wurde die Zertrümmerung des geschichtlich gewordenen Staats¬ 
verbandes, der den einzelnen Völkerschaften zwar nicht volle nationale 
Entfaltung, aber reiches wirtschaftliches und kulturelles Gedeihen ge¬ 
währt hatte, von der überwiegenden Mehrheit kaum gewünscht; des¬ 
gleichen gab diese überwiegende Mehrheit im Felde noch vielfach 
x) Der Ausspruch kam in einer Rede vor, die der Reichskanzler am 7. April 
1913 hielt (Fried jung, Das Zeitalter des Imperialismus 1884—1914 [Berlin 1922], 
III, 273 f.). 
2) Glaise-Horstenau, Die Katastrophe — Die Zertrümmerung Öster¬ 
reich-Ungarns und das Werden der Nachfolgestaaten (Wien 1929), 63 ff.
	        
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