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Das Ringen im Osten von Ende Juli bis Ende August
genossen vor seinem Herankommen entgegengesehen hatte. Handelte
es sich hier um Reibungen, die noch bei keinem Bündniskrieg gefehlt
hatten und im Lager der Feinde nicht weniger vorkamen, so fielen die
innen- und außenpolitischen Folgen, die sich aus dem wachsenden mili¬
tärischen Übergewicht Deutschlands über Österreich-Ungarn für dieses
ergaben, bei der schwierigen inneren Verfassung und bei der nicht min¬
der verwickelten internationalen Stellung des Habsburgerreiches stärker
ins Gewicht als bei irgendeiner anderen kriegführenden Macht.
Die russische Führung hatte in der abgelaufenen Kampfperiode
große Ziele angestrebt und entscheidungbringende Erfolge erwartet.
Sie waren ausgeblieben. Die Russen hatten wohl einen neuen Gelände¬
gewinn zu verzeichnen, das so heiß ersehnte Operationsziel Kowel
wurde jedoch nicht erreicht. Der Stoß auf Lemberg machte nach der
Schlacht bei Brody über den Sereth hinaus nur geringe Fortschritte.
Im Dniestergebiet glückte zwar ein Durchbruch, allein er wurde keines¬
wegs durch kraftvolles Nachdrängen gänzlich ausgewertet. Um die
Mitte August verebbten die Kämpfe in Wolhynien und in Galizien, nur
um den Karpathenwall loderten sie, zum Teil durch Gegenangriffe der
Verbündeten ausgelöst, bis zum Monatsende ohne Unterbrechung weiter.
Das Zarenreich rüstete in der zweiten Monatshälfte zu einem
neuen Waffengange, der schon Schulter an Schulter mit dem eben neu
gewonnenen Bundesgenossen, dem Königreich Rumänien, ausgetragen
werden sollte. Zu diesem Zwecke und aus Scheu vor der unzerbrech-
baren deutschen Front nördlich vom Pripiatj verlegte die Stawka ihr
Schwergewicht noch weiter nach Süden. Das russische Hauptquartier
schmälerte sogar den ausgedehnten Wirkungskreis seines tatkräftigsten
und erfolgreichsten Heerführers im Sommerfeldzug, des GdK. Brussilow,
und entzog ihm die Aufgabe, Kowel zu erobern, damit er sich im
Verein mit dem frischen Heere Rumäniens mit aller Wucht auf Ungarn
und Galizien stürzen könne.
Im allgemeinen betrachtet, hatte sich die Gesamtlage der Verbün¬
deten auf dem östlichen Kriegsschauplatze leidlich gebessert. Jedenfalls
stand man gefestigter da als im Juni nach Luck und Okna, wo die
Russen die Gelegenheit versäumt hatten, die öst.-ung. Froñt durch
rücksichtsloses Nachstoßen in entscheidender Richtung zum Einsturz
zu bringen.
Jetzt hoffte die Stawka und mit ihr der ganze Feindbund, den Mit¬
telmächten durch das Mitwirken Rumäniens eine entscheidende Nieder¬
lage bereiten zu können.