Volltext: Die Zeit der Annexionskrise 1906 - 1909 (Erster Band / 1921)

ohne jeden Zwang im Hotel zu soupieren gedenke und daß für die Übung 
am folgenden Tage alles so zu bleiben hätte, wie es vom Regiments¬ 
kommando befohlen sei, daß er also keinerlei Änderungen vornehme. 
Hierauf trennten wir uns. 
Als ich mich um 8 Uhr abends mit einigen Offizieren im Hotel „Römi¬ 
scher Kaiser“ einfand, kam der Erzherzog mit den Worten auf mich zu : 
„Herr Oberst, es freut mich, Ihnen sagen zu können, daß alles, was 
ich bisher von Ihrem Regiment gesehen habe, mir gefallen hat, insbe¬ 
sondere auch die stramme Haltung und das offene Auftreten Ihrer Leute.“ 
Ich war etwas erstaunt, da mir imerklärlich war, worauf der Erz¬ 
herzog sein Urteil basieren konnte. Die Erklärung wurde mir bald. Der 
Erzherzog hatte sich unmittelbar nach seinem Eintreffen im Hotel durch 
die Stadt, in der die dienstfreie Mannschaft sich erging, in die Kaserne 
begeben und sie überraschend inspiziert. 
Während des Abendessens war der Erzherzog bester Laune, erkundigte 
sich eingehend über alle Verhältnisse des Regimentes und erzählte mit viel 
Humor Reiseerlebnisse aus Indien. 
Die Übung am folgenden Tage verlief gut, der Erzherzog wohnte ihr 
von Anfang an bei und spendete am Schlüsse dem Regimente warme Worte 
der Anerkennung. 
Als ich Kommandant der 55. Infanteriebrigade in Triest war, kam 
ich im Jahre 1901 mit meiner Brigade zu den Divisionsmanövern nach 
Maunitz—Rakek. 
Erzherzog Franz Ferdinand traf zur Inspizierung ein, und zwar zu 
einer Übung, bei der ich die — schwächere Partei befehligte. Sie endete 
zu meinen Gunsten, der Erzherzog verabschiedete sich nach ihrem Ab¬ 
schluß mit Worten der Zufriedenheit. 
Im Herbst desselben Jahres (1901) wurden die großen Kaisermanöver 
in Südwestungarn abgehalten; ich war als Schiedsrichter eingeteilt. Das 
kaiserliche Hauptquartier war in Görcsöny untergebracht, meine Schieds¬ 
richtergruppe im etwa vier Kilometer davon entfernten Baksa. 
In Baksa, einem kleinen echt ungarischen Dorf, bewohnte ich ein 
Zimmer mit der notdürftigsten Einrichtung: ein ärarisches Bett, ein Tisch, 
zwei Stühle, einer davon diente als Waschtisch. 
In dieser primitiven Behausung war ich nach Schluß einer der 
Übungen eben daran, mich umzukleiden, als mir mein Diener meldete, daß 
mich Erzherzog Franz Ferdinand aufsuche und zu einer Wagenfahrt ein¬ 
lade. Mit Rücksicht auf die eben geschilderten Umstände war ich außer¬ 
stande, den Erzherzog ins Zimmer zu bitten, doch kam er mir zuvor, 
forderte mich auf, mich in aller Ruhe fertig zu machen, und nahm mich dann 
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