Volltext: Zur Geschichte und Literatur des Meistergesanges in Oberösterreich

„Meistersanc liez sich vor ane schouwen, 
die man und ouch die frouwen 
die zugen sich dä hi. 
dö was gesanc in huote, 
nu ist die weit gemuote 
daz man sin leider achtet mer gar kleine.“ 
Colmarer Hs. CC. 
Stimmen über den Meistergesang. 
„Wenn das poetische Verdienst der deutschen Singschulen auch ein noch so 
geringes ist, so erscheinen sie doch als ein Institut des öffentlichen Lebens in den 
einzelnen Städten, das für Pflege der Bildung im Bürgerstande nicht ohne Bedeutung 
war und daher in der Geschichte des städtischen Lehens nicht ausser Acht gelassen 
werden darf", — schreibt Dr. Franz Schnorr von Carolsfeld in einer kleinen aber 
sehr beachtenswerten Schrift „Zur Geschichte des deutschen Meistergesangs“.*) 
Man kann im Meistergesänge zwei Perioden unterscheiden, eine ältere mittel¬ 
hochdeutsche, welche das 14. und 15. Jahrhundert umfasst und eine jüngere, welche 
im 16. Jahrhunderte beginnend, bald ganz von der Reformation abhängig wird. 2) Bisher 
wurden nur die Meistersänger-Handschriften der älteren Periode wegen der „echten 
Töne" und unzweifelhaften Dichtungen der Minnesänger und „alten Meister" ge- 
würdiget.3) Doch verdienen auch die reichen Handschriften der Meisterlieder aus 
dem 16. und besonders aus dem 17. Jahrhunderte Beachtung. Sie eröffnen uns 
einen Blick in die Welt des Bürgerthums und zeigen uns einen Kreis von Bestrebungen, 
Anschauungen, Kenntnissen, der typisch verkörpert erscheint in dem bedeutendsten 
aller Meistersänger — in Hans Sachs. Bisher ist aus den vielen Handschriften nur 
weniges veröffentlicht worden.4) Für die vorliegenden Mittheilungen mögen als Ent¬ 
schuldigung einige Aussprüche von anerkannten Autoritäten angeführt werden. 
Jacob Grimm5): „Man ist leicht damit fertig gewesen, die Geschmacklosig¬ 
keit und Trockenheit der späteren Meistersänger zu tadeln, hat aber die Ehrlichkeit 
und Selbstverkennung ganz übersehen, womit sie ihre fromme Kunst übten." — 
Joseph Görres6): „Wie der einsame. Mönch im kleinen engen Garten bunte 
Nelken, Tulpen und Ranunkeln zog, und an dem reichen Formenwechsel ihrer Spiel¬ 
0 Schnorr, Z. G-. d. d. M. Notizen und Literaturproben aus Dresdener Handschriften des Hans Sachs 
und anderer Meistersänger. Berlin, Br. Lobeck’s Verlag 1872. 
2) Scherer, Geschichte der deutschen Literatur, 217. 253. 
3) Bartsch, Meisterlieder der Kolmarer Handschrift. Bibi, des lit. Ver. in Stuttgart LXVIII, 1862. 
J. V. Zingerle, Bericht über die Wiltener Meistersänger-Handschrift. Sitzungsber. d. k. Akad. d. W. in Wien 
XXXVII., 1261, S. 331—407. 
'0 Schnorr 1. c. theilt Notizen über Meister und einige Liederproben mit. Schröer, in Bartsch, Germanist. 
Studien II., behandelt den Meistergesang in Mähren. 
5) Ueber den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, bei Heinrich Dietrich, 1811; Vorrede S. 11, 
datiert vom 19. August 1810. 
G) Altdeutsche Volks- und Meistorlieder aus den Handschriften der Heidelberger Bibliothek heraus¬ 
gegeben. Frankfurt a/M. 1817 bei den Gebrüdern Wilmans. 
1*
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.