Volltext: Österreich (3; 1923)

Vom stillen Heldentum eines Volkes. 
Von Oberstleutnant d. R. Rudolf Pfersmann von Eichthal, 
damals k. u. k. Major und Generalstabschef der Tiroler Landesverteidigung. *) 
/Eiserne Notwendigkeit zwang die österreichisch-ungarische Heeresleitung August J9^ 
den letzten Mann und die letzte Patrone zur Entscheidung in Galizien und 
Serbien heranzuziehen. 
Gleich den übrigen Grenzgebieten der Monarchie mußten daher auch die an 
das Königreich Italien stoßenden Provinzen (Tirol, Kärnten, Krain, Küstenland) 
fast völlig schutzlos gelassen werden, trotzdem schon wenige Tage nach Kriegsaus¬ 
bruch unzweifelhafte Anzeichen vorlagen, daß Italien die Verlegenheit des Bundes¬ 
genossen auszunützen beabsichtige, um sich in den Besitz der heißersehnten „Unerlösten 
Gebiete" zu setzen. 
Einem in der Schnelligkeit aufgestellten „Kommando General der Kavallerie 
Rohr" wurde die Aufgabe übertragen, mit Hilfe der wenigen an der Südwestgrenze 
stehenden Landsturmbataillone eine Grenzverteidigung gegen Italien zu organisieren. 
Das Kommando Rohr tat alles Menschenmögliche, um seiner Aufgabe gerecht 
zu werden. Aber sie war schlechthin unerfüllbar. Aus nichts ist eben nichts zu 
machen. Ohne Offiziere, Mannschaften und Pferde, ohne Gewehre, Kanonen und 
Munition, ohne das Tausenderlei, dessen eine moderne Armee bedarf, ist heutzutage 
eine Verteidigung nicht aus dem Boden zu stampfen. Gegen die unaufhörlichen 
Hilferufe des Kommandos Rohr aber blieb die österreichisch-ungarische Heeresleitung 
taub, solange Italien nicht tatsächlich losschlug. Denn auf den wirklichen Kriegs¬ 
schauplätzen (Galizien und Serbien) stand die Sache schlecht. 
In dieser mehr als kritischen Lage — jede Nacht konnte den Einbruch der 
italienischen Armeen in die unverteidigten Grenzgebiete bringen — schritt das 
Kommando der Tiroler Landesverteidigung in Innsbruck (Feld- 
marschalleutnant von Können-HorLk) zur Selbsthilfe. 
Ohne weiter auf Unterstützung von oben zu rechnen, organisierte es schon in 
den kritischen Augusttagen ganz nach den althistorischen Mustern des Maxi¬ 
milianischen „Elfjährigen Landlibells" und Andreas Hofers Erhebung von anno 
Neun ein „Tiroler Volksaufgebot". Jeder Tiroler und Vorarlberger, Mann, Weib 
und Kind, sollte, wenn der Alarmruf erscholl, seine ererbte Waffe ergreifen und sich 
dem eindringenden Welschen entgegenwerfen. 
Da Italien aber damals seine „große Stunde", in der es die heißbegehrten 
Grenzgebiete fast kampflos hätte erringen können, ungenützt ließ, fand die Tiroler 
Landesverteidigung Zeit zu immer größerer Entfaltung. 
Im Laufe des winters *9 ^/*5 organisierte sie zunächst aus den verschieden¬ 
artigsten Hinterlandsformationen mit Hilfe von zusammengebettelten Gewehren 
verschiedener Modelle, Monturen und ausrangierten Salutgeschützen eine Anzahl von 
Landsturmbataillonen und Batterien letzten Aufgebotes und schweißte sie zu einem 
fragwürdigen „Tiroler-Korps" zusammen. Es war eine Sisyphusarbeit. Denn 
jedesmal, wenn das Korps halbwegs verwendbar dastand, riß die Heeresleitung in 
höchster Not die neugeschaffenen „Truppen" dieses Korps dem Tiroler Komman- 
l) Aus des Verfassers noch ungedrucktem Werke „Die Tiroler Landesverteidigung 
im Weltkriege".
	        
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