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Schlußbetrachtung.
Höchsten schweben will — noch später, da er in Venedig
auf dem Campanile der Markuskirche seine philosophischen Be—
trachtungen anstellt. Freilich, das war dem klaren Denker als—
bald offenbar, daß die Unsterblichkeitsfrage eigentlich der Angel—
punkt ist, um den sich alle übrigen Kirchendogmen drehen, wie
denn ja schon ein Apostel gesagt: „Wenn Christus nicht auf—
erstanden, so ist euer Glaube eitel.“
Das steht aber in innigstem Zusammenhang mit dem
Wunderglauben. Da nun aber durch Zschokke's „Stunden
der Andacht“ und dessen übrige Schriften, die ja alle aus einem
überreichen Gemüthe erstanden sind, der Glaube an Wunder in
bekannter rationalistischer Weise bekämpft und durch David
Fr. Strauß für alle unbefangen Denkenden aus der Welt ge—
schafft wurde, so mußten durch die Werke dieser beiden Theo—
logen und schließlich durch Feuerbach's „Gedanken über Tod
und Unsterblichkeit“ die Säulen des Glaubensgebäudes auch bei
Deubler vollständig ins Wanken gerathen. Wir haben keine
rechte Vorstellung davon, wie lange und wie intensiv der innere
Kampf, dieser Widerstreit zwischen Glaube uund Unglaube in
Sachen der Unsterblichkeit, bei Deubler vorhielt. Aber wir
Alle, die im Elternhause die Milch der frommen Christenart
getrunken, um hernach in der realen Welt des Wissens und
Forschens den Ballast des Glaubens abzuwerfen: wir haben
doch eine Ahnung von der Größe dieser Gedankenarbeit, die
Deubler überwinden mußte, bis er die Kinderschuhe seines
Katechismusglaubens abgelaufen und die starkbenagelten Berg—
schuhe einer rationellen Weltanschauung erworben und sich fest
umgeschnallt hatte, um sichern Schrittes die Pfade hinan zu
steigen zu den luftigen, weitaus blickenden Höhen herrlicher
Naturerkenntnis. Wir sagen, daß es eine große Gedankenarbeit
gewesen sein muß; denn es klingt da und dort aus den Frag—
menten der Deubler'scher Aufzeichnungen heraus, daß er immer
noch abwägt, immer noch nach neuen Aufklärungen verlangt —
wohl zwanzig Jahre lang und noch mehr, ehe die Zweifel ver—
stummen und für immer überwunden sind.