Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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Graf Szápáry an Grafen Berchtold1 
Telegramm Nr. 190 Petersburg, den 1. August 1914 
Aiifg. io Uhr 45 M. a. m. 
Eingetr. i Uhr •/. p. m. 
Chiffre — Geheim 
Fortsetzung meines Télégrammes vom 31. v.M., Nr. 1892. 
Ich fragte demnach bei Herrn Sazonow an, der mich unverzüg¬ 
lich empfing. Ich legte dem Minister dar, daß ich chiffrierte Instruck- 
tionen erhalten hätte, daß ich aber vorausschicken müsse, die augen¬ 
blickliche, durch die russische allgemeine Mobilisierung in Wien ge¬ 
schaffene Lage sei mir gänzlich unbekannt, so daß ich von dieser bei 
Verdolmetschung meiner noch vorher abgegangenen Weisungen voll¬ 
kommen absehen müsse. Der Minister unterbrach mich lebhaft mit 
den Worten, die Mobilisierung habe nichts zu bedeuten; und Kaiser 
Nikolaus habe Kaiser Wilhelm sein Wort verpfändet, die Armee 
werde sich nicht rühren, solange eine auf Verständigung gerichtete 
Konversation mit Wien im Zuge sei. Übrigens hätten wir zuerst 
mobilisiert, eine Behauptung, der ich lebhaft widersprach, so daß 
der Minister sagte: »Lassen wir diese Chronologie«. Man solle nicht 
fürchten, daß die Gewehre von selber losgehen würden, denn was die 
russische Armee betreffe, sei diese so diszipliniert, daß der Kaiser 
sie durch ein Wort noch von der Grenze zurückziehen könne! Ich 
fuhr forti und sagte, daß die beiden Weisungen Euer Exzellenz von 
dem Mißverständnis ausgingen, als ob wir weitere Verhandlungen 
mit Rußland abgelehnt hätten. Dies sei, wie ich ihm schon ohne 
Auftrag versichert hätte (mein Telegramm Nr. 180 vom 29. v. M.1, 
ein Irrtum. Euer Exzellenz seien nicht nur gerne bereit, miit Ru߬ 
land auf breitester Basis zu verhandeln, sondern auch speziell 
geneigt, unseren Notentext einer Besprechung zu unterziehen, sofern 
es sich um dessen Interpretation handle. 
Ich sei mir allerdings bewußt!, daß Rußland auf dem Standpunkt 
stehe, die Form der Note sollte gemildert werden, während Euer 
Exzellenz der Ansicht seien, der Sinn derselben könne erläutert 
werden. 
Dies ergebe eine Diskrepanz, die nicht übersehen werden dürfe, 
obwohl es mir im Wesen auf dasselbe herauszukommen schiene. 
Herr Sazonow meinte, dies sei eine gute Nachricht, denn er 
hoffe noch immer, daß auf diese Weise die Angelegenheit auf jenes 
Terrain gelenkt werden könne, welches ihm von Anfang an vor¬ 
geschwebt habe. Ich betonte, wie sehr die Instruktionen Euer 
1 Vgl. die Fassung im Österreichisch-ungarischen Rotbuch, Nr. 56. 
2 Siehe III, Nr. 75. 
1 Siehe III, Nr. 19. 
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