Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

kaiserlicher Herr über die wahre Situation informiert würde, umso- 
mehr, als es dringend geboten sei, wenn man den Frieden wolle, dem 
militärischen Lizitieren, welches sich jetzt auf Grund falscher Nach¬ 
richten einzustellen drohe, ein rasches Ende zu bereiten. Herr 
Sazonow meinte sehr charakteristischerweise, er könne dies 
dem Generalstabschef mitteilen, denn dieser 
sehe Seine Majestät alle Tage. Der Minister hingegen 
gehe in einer Zeit, wie die gegenwärtige, zum normalen Dienstag¬ 
empfang und erfahre erst durch Seine Majestät, was die Militärs 
Höchstdemselben zutragen. 
Der Minister sagte mir weiter, es werde heute ein Ukas unter¬ 
zeichnet, welcher eine Mobilisierung in ziemlich weitem Umfang 
anordne. Er könne mir aber auf das alleroffiziellste erklären, daß 
diese Truppen nicht dazu bestimmt seien, über uns herzufallen; sie 
würden nur Gewehr bei Fuß bereitstehen für den Fall, als Rußlands 
Balkaninteressen gefährdet würden. Eine note explicative werde dies 
feststellen, denn es handle sich nur um eine Vorsichtsmaßregel, die 
Kaiser Nikolaus gerechtfertigt gefunden habe, da wir, die wir ohne¬ 
dies den Vorteil rascherer Mobilisierung hätten, nunmehr auch den 
so großen Vor sprung hätten. Ich machte Herrn Sazonow in ernsten 
Worten auf den Eindruck aufmerksam, den eine solche Maßregel bei 
uns erwecken werde. Ich könne nur . . daß die note explicative 
diesen Eindruck zu mildern geeignet sein werde, worauf der Minister 
sich nochmals in Versicherungen über die Harmlosigkeit (!) dieser 
Verfügung erging. 
Während wir so in vertraulichem Gedankenaustausch standen, 
erhielt der Minister durch das Telephon die Nachricht, wir hätten 
Belgrad beschossen. Er war wie ausgewechselt, suchte alle seine bis¬ 
herigen" Argumente in einer jede Logik ins Gesicht schlagenden Weise 
wiederaufzunehmen und meinte, er sehe jetzt, wie Kaiser Nikolaus 
* Recht gehabt habe. »Sie wollen nur Zeit mit Verhandlungen ge¬ 
winnen, aber Sie gehen vorwärts und beschießen eine ungeschützte 
Stadt!« »Was wollen Sie eigentlich noch erobern, wenn Sie die 
Hauptstadt im Besitz haben« und dergleichen kindische Aussprüche 
mehr. Das Argument, daß ein solches Vorgehen gegen Serbien das 
Gegenteil einer Bewegung gegen Rußland bilde, störte den Minister 
wenig. »Was sollen wir noch konvenieren, wenn Sie so vorgehen!« 
sagte er. Ich verließ ihn in äußerst aufgeregter Stimmung, und auch 
mein deutscher Kollege, der ihn nochmals neuerlich aufsuchte, mußte 
— wenigstens für heute — auf eine ruhige Konversation verzichten. 
Fortsetzung folgt2 
1 Chiffre fehlt. 
2 Siehe III, Nr. 46. 
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