Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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Handschreiben Kaiser und König Franz Josephs 
an Kaiser Wilhelm1 
Ich habe aufrichtig bedauert, daß Du genötigt warst, Deine 
Absicht, zur Trauerfeier nach Witen zu kommen, aufzugeben. Ich 
hätte Dir sehr gerne persönlich meinen herzlichen Dank für Deine 
wohltuende Anteilnahme an meinem schweren Kummer aus¬ 
gesprochen. 
Du hast mir durch Dein warmes mitfühlendes Beileid wieder 
bewiesen, daß ich in Dir einen treuen, verläßlichen Freund besitze, 
und daß ich in jeder ernsten Stunde auf Dich rechnen kann. 
Es wäre mir auch sehr erwünscht gewiesen, die politische Lage 
mit Dir zu besprechen; da dies jetzt nicht möglich gewesen ist, er¬ 
laube ich mir, Dir die anruhende, von meinem Minister des Äußern 
ausgearbeitete Denkschrift zu senden, die noch vor der furchtbaren 
Katastrophe in Sarajevo verfaßt wurde und jetzt nach diesem tra¬ 
gischen Ereignis besonders beachtenswert erscheint2. 
Das gegen meinen Neffen verübte Attentat ist die direkte Folge 
der von den russischen und serbischen Panslawisten betriebenen Agi¬ 
tation, deren einziges Ziel die Schwächung des Dreibundes und die 
Zertrümmerung mteines Reiches ist. 
Nach allen bisherigen Erhebungen hat es sich in Sarajevo nicht 
um die Bluttat eines Einzelnen, sondern um ein wohlorganisiertes 
Komplott gehandelt, dessen Fäden nach Belgrad reichen und, wenn 
es auch vermutlich unmöglich sein wird, die Komplizität der ser¬ 
bischen Regierung nachzuweisen, so kann man wohl nicht im Zweifel 
darüber sein, daß ihre auf die Vereinigung aller Südslawen unter 
serbischer Flagge gerichtete Politik solche Verbrechen fördert, und 
daß die Andauer dieses Zustandes eine dauernde Gefahr für mein 
Haus und für meine Länder bildet. 
Di,ese Gefahr wird noch dadurch erhöht, daß auch Rumänien, 
trotz des bestehenden Bündnisses mit uns, sich mit Serbien eng be¬ 
freundet hat und auch im eigenen Lande eine ebenso gehässige Agi¬ 
tation gegen uns duldet, wie Serbien es tut. 
Es wird mir schwer, an der Treue und den gut^en Absichten 
eines so alten Freundes, wie Carl von Rumänien es ist, zu zweifeln; 
1 Entwurf d. d. Wien, 2. Juli 1914, Handschreiben überreicht in Berlin am 
5. Juli 1914 durch den Österreich-ungarischen Botschafter; Antwortschreiben 
Kaiser Wilhelms siehe Nr. 18. 
2 Siehe die Beilage zu Nr. 1.
	        
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