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Abhandlung festzustellen wiederholt Gelegenheit gehabt. Auch
die ältesten Freisinger Urkunden hat Heck eingehend durch¬
genommen und aus ihnen erhoben, daß in den sieben Urkunden
unter Bischof Hitto (810—835), in denen sich eine Standesbe¬
zeichnung vorfindet, der Kontrahent ,nobilis' ist; in den 48 Ur¬
kunden unter Bischof Erchenbert (836—854), die den Stand
des Kontrahenten angeben, wird derselbe als ,nobilis' bezeich¬
net; in 148 von 177 Urkunden des Bischofs Anno (855—875)
ist der Kontrahent ein ,nobilis vir', in 41 von 44 Urkunden des
Bischofs Arnold (875—-883) treten ,nobiles' auf. Die gleiche
Prävalenz der nobiles dauert unter den folgenden Bischöfen
fort. ,Diese Ubersicht schließti zunächst jeden Gedanken aus,
daß im 9. Jahrhundert nur die Angehörigen der fünf hinsicht¬
lich der Bußen privilegierten Sippen als mobiles' gelten. Auf
den ersten Blick könnte man vielleicht daran denken, die
nobiles als einen irgendwie bestimmten Adel und die Personen
ohne Standesbezeichnung als die Gemeinfreien aufzufassen.
Aber dieser Ausweg ist schon wegen der zeitlichen Verteilung
der Erwähnungen ungangbar; denn es ist schlechterdings nicht
anzunehmen, daß bis auf Bischof Erchenbert nur die nicht¬
adeligen Gemeinfreien, von da an aber wiederum nur die ade¬
ligen Personen in rechtsgeschäftlichen Verkehr mit dem Bistum
getreten. Diese totale Änderung erklärt sich nur durch einen
Wechsel der Ausdruck s weise, nicht der beteiligten Stände. Es
wird öfters aus anderen Urkunden oder aus der Uberschrift
ersehen, daß der bezügliche Kontrahent, dessen Stand in der
Urkunde nicht erwähnt ist, ein vir nobilis war. Deshalb recht¬
fertigt sich der Satz, daß alle Personen, deren rechtsgeschäft¬
licher Verkehr mit dem Bistum Freising uns urkundlich be¬
zeugt ist, im 8. und 9. Jahrhundert ausnahmslos oder doch mit
verschwindenden Ausnahmen nobiles gewesen sind/
Die Tatsache, daß die Zahl der Nobiles, die uns in Ur¬
kunden entgegentreten, eine so überwältigend große ist, daß
sie nicht lauter Adelige vorstellen können, ist schon Wittmann
bei Herausgabe des Schenkungsbuches von St. Emmeram auf¬
gefallen ; doch meinte er damals,2 man müsse sich zwar allerdings
hüten, jeden, welcher von einem Orte zubenannt ist, für einen
Edlen zu halten, in den meisten Fällen sei es jedoch zulässig,
1 a. a. O. 93.
2 Quellen und Erörterungen I. 11 A. 2.