Volltext: Das k. u. k. 3. Regiment der Tiroler Kaiserjäger im Weltkriege 1914 - 1918

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An diesem Tage schon wurde der Terror der Angehörigen der tschechischen 
Legion zum erstenmale fühlbar. So forderten die Legionäre von den gefangenen 
Offizieren kategorisch die Ablieferung der sehr begehrten Feldstecher, wobei sie 
ebenso energisch abgewiesen wurden. Den Mannschaften nahmen sie Messer, Uhren 
und Rauchwaren ab. Die italienische Bewachungsmannschaft war merkwürdiger- 
weise vollkommen machtlos und hielt sich gänzlich im Hintergrund, dafür schalteten 
und walteten die Legionäre nach Belieben und kühlten an den wehrlosen 
Gefangenen ihren Mut. 
Ein gemeinsam von den im Lager befindlichen Regimentskommandanten 
beim italienischen Lagerkommaudo vorgebrachter Protest wurde wohl mit dem 
liebenswürdigen Versprechen der Abhilfe entgegengenommen, das überhebende 
Benehmen der Legionäre änderte sich! jedoch nicht. 
Ob das italienische Lagerkommando tatsächlich Gegenmaßregeln getroffen 
hatte, ist nicht bekannt. Jedenfalls hatten sie nicht die geringste Wirkung und machte 
die Duldung der Übergriffe einer ausländischen Organisation in Anwesenheit der 
regulären italienischen Truppen einen kläglichen Eindruck. Die Streitigkeiten 
zwischen den Legionären und den gefangenen österreichischen Soldaten dauerten 
fort und arteten des öfteren in Handgreiflichkeiten aus, bei denen die Legionäre 
den kürzeren zogen. 
Sie versuchten auch die im Regimente eingeteilten Tschechen (etwa 20 Perzeut 
des Standes) zu bewegen, aus dem Verbände des Regimentes auszutreten. Es 
sei aber besonders erwähnt, daß sich nicht ein Einziger der Aufforderung fügte. 
So groß war das in den Zeiten der Not und Gefahr erstarkte Kameradschaftsgefühl. 
Nach mehreren am nächsten Tage (6. November) ergangenen und oftmals 
widerrufenen Abmarschbefehlen wurde vom italienischen Lagerkommando für nach- 
mittags der staffelweise Abmarsch angeordnet. Als erste Staffel gingen das 
1/4. TJR, und die technische Jägerkompagnie des Regimentes um 5 Uhr 30 ab. 
7. November. Das Regiment selbst marschierte erst am 7. um 4 Uhr früh 
nach Rocchetta, wo es entlaust und nachher zur Fahrt nach Verona ein- 
waggoniert werden sollte. 
Zum Baden und Entlausen kam es jedoch nicht. In Rocchetta wurde 
kurze Rast gehalten und sodann der Marsch zur Eisenbahnstation fortgesetzt. Am 
Wege dorthin überfielen die tschechischen Legionäre die Marschkolonne, zwangen 
die im Regimente eingeteilten Tschechen mit Gewalt auszutreten und begleiteten 
die Kolonne weiter bis zur Station, um sich nach der Einwaggonieruug dadurch 
zu bereichern, daß sie die Mannschaft nochmals nach Taschenmessern und Pfeifen 
durchsuchten. 
Um 9 Uhr fuhr der Transport von Rocchetta über Thiene -- 
Vicenza — Verona bis Doffo b u o n o, wo er um 4 Uhr 30 nachmittags 
ankam. Von da ab marschierte das Regiment — immer noch in der organisations- 
gemäßen Einteilung — bis Eastello d ' Azzano. In diesem alten, gänzlich 
verfallenen Castell wurden die Offiziere sehr gedrängt untergebracht, während die 
Mannschaft im Freien auf sumpfigem, durchweichten Boden lagern mußte. In 
den nächsten Tagen trafen immer mehr Transporte ein, so daß bald die Räume 
für die ohnehin sehr gedrängte Unterbringung der Offiziere nicht mehr reichten. 
Auch das Mannschaftslager vergrößere sich zusehends. Die sanitären Zustände 
fpotteten jeder Beschreibung. 
Auch die Verpflegung blieb gänzlich unzulänglich. Man gab die minimalen 
Lebensmittelrationen in rohem Zustande aus, ohue sich zu kümmern, wo und 
womit sie zu kochen wären. Um den nagenden Hunger zu stillen, entwickelte sich 
bald ein reger Tauschhandel, bei dem Uhren, Taschen-Rasiermesser, Pfeifen etc. 
als sehr begehrte Tauschobjekte von den Offizieren und der Mannschaft der italie- 
nischen Wache gegen Abgabe eines Laib Brotes übernommen wurden. Auch fehlte 
es an Zelten und Schutzmitteln gegen die schlechte Witterung. Wochenlang dauerte 
es, bis endlich Zelte Zugeschoben wurden und bis auch nur die primitivsten
	        
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