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samt rund 100 Bataillonen brach er zur Verfolgung vor und rannte an
die neue Front an. Zu seinen Gunsten sprach auch besonders die ar¬
tilleristische Lage. Beide Teile hatten zuletzt ihre meisten und besten
Batterien sehr nahe der Front aufgestellt; während die Italiener nun¬
mehr bei der geringen Entfernung der neuen österreichischen Stellung
ihre Geschütze aus den alten Positionen weiter verwenden konnten,
hatten die österreichischen Batterien ihre Stellungen und überdies einen
großen Teil der ohnehin spärlichen Munition verloren und waren daher
in den nächsten Tagen dem Gegner gegenüber in jeder Hinsicht stark im
Nachteil. Und über all dem stand auf der einen Seite das Bewußtsein
des endlich errungenen großen Erfolges, auf der anderen das des nieder¬
drückenden schweren Verlustes der wichtigsten Stellung; wenn es je eine
Situation gegeben hat, die den Stempel der Aussichtslosigkeit auf der
Stirne trug, so war es dieser Versuch, den vollen Durchbruch des Gegners
über Görz hinaus ins Wippachtal und weitèr gegen Triest aufzuhalten.
Man hat sich seit der Marneschlacht gewöhnt, unerwartet glückliche
Ereignisse als „Wunder" zu bezeichnen. Ein solches Wunder ist hier ge¬
schehen. Die dreizehn abgekämpften österreichischen Bataillone, in ganz
unzureichend ausgebauter Stellung, von ihrer Artillerie nur notdürftig
unterstützt, haben dem Ansturm der hundert italienischen Halt geboten.
Erst zweieinhalb Jahre später, als es eine österreichisch-ungarische Ar¬
mee nicht mehr gab, haben Italiener die Gipfel des Monte San Gabriele
und San Marco betreten dürfen.
Bezeichnend sind die Verlustzahlen dieser Kämpfe. Die österreichi¬
schen Truppen des Görzer Abschnittes haben 233 Offiziere, 18.325Mann
verloren, darunter 77 Offiziere, 6369 Mann „Vermißte", von denen er¬
fahrungsgemäß auf Seite des das Gefechtsfeld räumenden Teiles ein
sehr hoher Prozentsatz auf ungeborgene Tote und Schwerverwundete
entfällt; dagegen haben dieselben Truppen 86 Offiziere und 4200 Mann
als Gefangene eingebracht, so daß die Zahl der unverwundet Gefan¬
genen trotz des gewaltigen numerischen Mißverhältnisses und des Ver¬
lustes der Brückenkopfstellung bestenfalls als auf beiden Seiten gleich
bezeichnet werden kann. Der Verlust von Görz war ein harter Schlag
für die k. u. k. Armee, aber ein Ruhmesblatt für ihre Truppen.
Allerdings war das Unheil noch nicht erschöpft. Der Verlust des
Görzer Brückenkopfes zog auch den des vorspringenden Teiles des
Doberdoplateaus nach sich. Er wurde freiwillig geräumt. Noch einmal
wurden die wütendsten Angriffe gegen den Monte San Michele abge¬
wiesen; dann gingen die unbesiegten Truppen des VII. Korps unbemerkt