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Auslösung des Sperrfeuers vor jeden beliebigen Punkt war geradezu muster¬
gültig organisiert und funktionierte bewunderungswürdig. Trotzdem sie
ständig der Zahl nach schwächer war, hat die k. u. k. Artillerie am Isonzo
sehr bald die Überlegenheit errungen und bis zum Schlüsse behauptet.
Auch die verhältnismäßig lange Ruhe, die nach der vierten Schlacht
am Isonzo einkehrte, hatte hier ein ganz anderes Gesicht als auf anderen
Kriegsschauplätzen. In den Karpathen, der Polesie, selbst in Serbien
bedeuteten „ruhige44 Zeiten auch für die Front förmliche R etablierungen,
und oft genug wurden am Isonzo abgekämpfte Truppenkörper zu
diesem Zweck an solche Fronten geschickt; auch an der italienischen
Front gab es im Gebirge neben einigen ständigen Brennpunkten des
Kampfes, wie dem Plöckenpaß, dem Col di Lana und ähnlichen, auch
Strecken, wo es nur von der Jahreszeit abhing, ob man den Aufenthalt
als Sommerfrische oder Winter kurort bezeichnen durfte. Ganz anders
am Isonzo. Waren die Isonzoschlachten die Hölle, so waren die da¬
zwischen liegenden Ruhepausen immer noch ein Fegefeuer. Kein Tag
ohne Kampf, zum mindesten ohne schweres Artilleriefeuer; gänzliche
Unmöglichkeit des Verkehres unmittelbar hinter der Front bei Tage,
schwere Gefährdung selbst bei Nacht infolge beständiger Feuerüber¬
fälle auf die Kommunikationen, mit all den unsagbaren Unannehmlich¬
keiten, die diese Verhältnisse für die Frontbesatzung mit sich brachten,
an die damit selbst in diesen sogenannten ruhigen Zeiten Anforderungen
gestellt wurden, deren dauernde Erfüllbarkeit sich kein noch so kriegs¬
begeisterter Theoretiker vorher je hätte träumen lassen. Hat überhaupt
der Weltkrieg in der Frage des Ertragens von Kampfverlusten alle aus
früheren Kriegen geschöpften statistischen Berechnungen vollkommen
über den Haufen geworfen, so gilt dies in noch viel höherem Grade für
die Widerstandsfähigkeit gegen andauernde Kriegsstrapazen schwerster
Art, wie sie der Stellungskrieg, dieses beständige Aug-in-Aug-Gegen-
überliegen, mit sich brachte. Gewiß wurde seitens aller Heeresleitungen
nach Maßgabe der verfügbaren Mittel alles getan, um den Truppen den
Dienst zu erleichtern, und auch am Isonzo ist schließlich in dieser Hin¬
sicht das Möglichste geschehen; aber trotzdem spottet es jeder Beschrei¬
bung, was der Truppe an Entbehrung, an Unbequemlichkeiten schwerster
Art, alles unter beständiger Lebensgefahr und Kampfbereitschaft, zu¬
gemutet und von ihr auch willig getragen wurde. Hierin aber liegt min¬
destens ebenso großes Heldentum wie im wütendsten Handgemenge.
Ganz besonders beansprucht wurden die Nerven der Truppe durch
die in großem Stil allerdings erst nach der zweiten Schlacht auflebende