Volltext: Das Kriegsjahr 1918 ; 7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ; (7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ;)

Regierungswechsel in Österreich 
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Die Friedensbitte vom 27. Oktober 
In den Tagen, in denen der Draht von der Südwestfront über Taten 
und Beweise heroischer Pflichterfüllung und Selbstaufopferung neben 
den betrüblichen und erschütternden Erscheinungen eines tiefsten Ver¬ 
falles dem kaum mehr hinhorchenden Hinterlande zu berichten wußte, 
unternahm der Herrscher ¡auf Habsburgs Thron noch einen Versuch, sein 
schwankendes Erbe vor den rasch anschwellenden Fluten der Revolution 
und der Vernichtung zu retten. Der Kaiser hatte noch vor seiner Abreise 
nach Ungarn (S. 586) den Professor Dr. Lammasch, einen angesehenen 
Völkerrechtslehrer und bekannten Pazifisten, mit der Aufgabe betraut, 
an Stelle des verbrauchten Kabinettes Hussarek eine neue österreichische 
Regierung zu bilden. Als der Außenminister Burián am 24. Oktober in 
Budapest eintraf, um hier über die Beantwortung der Wilsonnote weiter 
zu beraten (S. 583), zog er ¡aus dem Rücktritt Wekerles (S. 587) und aus 
der voraussichtlichen Bildung eines eigenen ungarischen Außenamtes die 
Folgerung und bat um seine Enthebung. Er entsprach damit nur einem 
Wunsche des Monarchen, der den Grafen Julius Andrássy am 25. zum 
Nachfolger bestellte1). Der Name besaß Klang im Palais auf dem Ball- 
hauspliatzie; Andrássy s Vater und Bismarck hatten am 7. Oktober 1879 
das Bündnis der beiden Kaiserreiche, den Zweibund, geschlossen, der 
1882 durch den Beitritt Italiens zum Dreibund erweitert worden war. 
Andrássy, der soeben ;aus der Schweiz zurückgekehrt war, hatte sich 
dort im Auftrag seines Herrschers nach Friedensmöglichkeiten umge¬ 
sehen. Er brachte die Überzeugung heim, daß den Habsburger Staat nur 
ein rascher Sonderfrieden mit deutlicher Abkehr vom Deutschen Reiche, 
dem die Entente unerbittlich das härteste Los, so ¡auch die Beseitigung 
•des Kaisertums der Hohenzollern, zugedacht hatte, noch zu retten ver¬ 
möge. Ganz ¡auf diesen Ton waren auch die wohlwollenden Ratschläge 
gestimmt, die von der Schweizer ,,Friedensbörse" (S. 560), auch schon 
vor dem Manifest und seither nicht weniger, nach Wien* gelangten2). Nur 
Frankreich und England und deren Einfluß ¡auf Wilson könnten den Be¬ 
stand der Donaumonarchie noch erhalten! Den Erwägungen, mit denen 
Andrássy die Notwendigkeit eines Sonderschrittes vor dem Kaiser be¬ 
gründete, pflichtete dieser bei3). Als dem Grafen der Satz entschlüpfte: 
1) Glaise-Horstenau, Die Katastrophe, 353 ff. 
2) Opocensky, 287 ff. — 315 ff. 
3) Andrássy, Diplomatie und Weltkrieg (Wien 1920), 294 ff.
	        
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