Volltext: Das Kriegsjahr 1918 ; 7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ; (7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ;)

Kanzlerwechsel im Deutschen Reich 
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28. September gestanden Hindenburg und Ludendorff, die mit ihrer Wil¬ 
lenskraft den kriegerischen Geist der Mittelmächte so lange unbeugsam 
verkörpert hatten, einander die bittere Erkenntnis ein, daß nur mehr der 
eine Weg offenstehe, beim Feinde um Waffenstillstand und Frieden ¡an¬ 
zusuchen ^. Tags darauf entschied sich Kaiser Wilhelm zu Spa für den 
Antrag seiner Ratgeber, den Präsidenten Wilson auf Grundlage seiner 
vierzehn Punkte und der seither verkündeten Grundsätze zur. Eröffnung 
einer Friedenskonferenz; einzuladen und gleichzeitig einen sofortigen 
Waffenstillstand anzubieten. Dies war ein folgenschwerer Entschluß. 
Das Verliangen der DOHL. mach sofortigem Waffenstillstand hatte 
nicht nur die politischen Lenker des Reiches, ja den Kaiser selbst über¬ 
rascht — es mußte als plötzliches Eingeständnis einer völligen Nieder¬ 
lage das gesamte deutsche Volk zutiefst erschüttern und aufwühlen, und 
zwar sowohl jene Kreise, die bisher noch immer an das Heer und die 
Feldherrnkunst seiner Führer geglaubt hatten, als auch die breiten, be¬ 
reits von revolutionären Gedanken erfaßten oder solchen zuneigenden 
Schichten. Bei der sich verschlechternden Kriegslage hatten führende 
Köpfe schon seit längerem die Auffassung vertreten, daß die Regierung 
umzubilden sei und alle Kräfte des Volkes auf breitester, nationaler 
Grundlage zusammenzufassen wären; den aufsteigenden innerpolitischen 
Schwierigkeiten wollte man durch eine „Revolution von oben" begegnen. 
Ein parlamentarisches Kabinett sollte den Volksmassen den schwer fa߬ 
baren Umschwung von der durch vier Jahre gehegten Siegeszuversicht 
zur Niederlage ertragen helfen. Der hochbetagte Reichskanzler Graf 
Hertling trat zurück. Die Nachfolge und damit die schwere Aufgabe, 
jetzt in drängender Stunde eine verhandlungsfähige Regierung zu bilden, 
fiel dem Prinzen Max, dem Thronfolger im Großherzogtum Baden, zu. 
Der Prinz war im Militärdienst nie hervorgetreten, wohl aber in der Für¬ 
sorge für die Kriegsgefangenen erfolgreich tätig gewesen. Der hochsinnige, 
fürstliche Idealist hatte sich viel mit politisch-philosophischen Fragen 
beschäftigt und galt ¡als Anhänger eines Verständigungsfrieideos. So er¬ 
schien er als geeigneter Mann, den versöhnlichen Geist einer neuen 
Reichsregierung auch über die deutschen Grenzen hinaus zu verkörpern2). 
Der Entschluß von Spa wurde ungesäumt nach Wien und Konstantinopel 
mitgeteilt, desgleichen auch nach Sofia, wo eben der Sonderwaffenstill¬ 
stand abgeschlossen wurde (S. 512). 
*) Ludendorff, Kriegserinnerungen, 581 ff. — Hindenburg, 392 ff. — 
Schwertfege r, 111 ff. 
2) N i e m a n n, Revolution, 116 ff. — Kühl, II, 462.
	        
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