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Dem Niedergang entgegen
Um dien hart kämpfenden Verteidigern Kräfte zur Bildung einer
neuen Abwehrfront zuführen zu können, wurden die nach Flandern fah¬
renden Transporte ¡abgedreht. Trotzdem erschien idie Lage der im
Marnebogen stehenden deutschen Truppen, namentlich aber jene der
noch auf dem Südufer des Flusses kämpfenden 7. Armee außerordent¬
lich kritisch, zumal deren Versorgung über Soisisons bereits am ersten
Schlachttage in Frage gestellt wiar. Die deutsche Führung mußte daher
dein bitteren Entschluß zur Räumung des so blutig erstrittenen Geländes
zwischen der Aisne und der Marne fassen.
Am 19. und 20. Juli setzten Franzosen und Amerikaner ihre An¬
griffe mit unverminderter Tatkraft fort. Es gelang jedoch den Deutschen,
den Feind unter geringen Geländeeinbußen aufzuhalten. In der gleichen
Zeit lösten sich ihre Truppen südlich der Marne geschickt vom Feinde
los und gingen hinter den Fluß zurück. In der Nacht ¡auf den 24. begann
der abschnittsweise Rückzug nördlich der Marne, der am 3. August mit
dem Beziehen der alten Stellung zwischen der Aisne und Reims abge¬
schlossen war.
Das deutsche Westheer hatte nach Angabe des französischen Gene¬
ralstabes 29.000 Mann als Gefangene, an 800 Geschützte, über 200 Minen¬
werfer und 3700 Maschinengewehre eingebüßt1); viel schwerer als diese
Verluste wog die Tatsache, daß mit dieser Schlacht ¡die Freiheit des Han¬
delns an den Feind überging. Denn am 20. und ,am 21. Juli erließ die DOHL.
die Befehle zur Einstellung der Vorbereitungen für den Angriff in Flan¬
dern. Die deutsche Offensive im Westen war daher zum Abschluß ge¬
langt: „Damit wurde der 18. Juli zur Schicksalswende des Krieges2)."
Der Umschwung im Westen hatte notgedrungen zur Folge, daß die
DOHL. ijxr Drängen beim AOK. in Baden, weitere Kräfte für die Front
in Frankreich freizumachen, immer nachdrücklicher gestaltete. Eine An¬
frage Ludendorffs vom 19. Juli, welche Divisionen den bereits einge¬
langten folgen würden, mußte wegen der schwierigen Lage in Venetien,
die es nicht gestattete, abgekämpfte Heereskörper aus der Front zu neh¬
men, geschweige denn Kräfte abzugeben, mit der Mitteilung beantwortet
werden, daß vor Mitte August an eine Überstellung nach dem Westen
nicht zu denken sei. Die Armee der öst.-ung. Monarchie hatte zu dieser
Zeit noch weitaus mehr als das deutsche Heer mit Ergänzungsschwierig¬
keiten zu kämpfen. Die Ernährungs- und Bekleidungskrise hatte seit dem
1) Darunter befanden sich 181 Geschütze und 393 Maschinengewehre, die zuvor
den Franzosen abgenommen worden waren (Franz. Gstb. W., VII/1, 161).
2) Stenge r, Schicksalswende, 226.