Der Umschwung an der deutschen Westfront
Die letzten deutschen Angriffe
(15. bis 17. Juli)
Hiezu Beilage 28 1
Das deutsche Westheer hatte seit März 1918 schwere Schläge gegen
die englisch-französische Front geführt, die ¡angestrebte Entscheidung des
Völkerringens war jedoch bisher nicht erzielt worden. Die gewaltigen
Einbußen der Westmächte an Mann und Material konnten durch die
Oberste Kriegsleitung des Feindbundes, die nun endlich unter dem eiser¬
nen Zwange der Not zustande gekommen war, in ausreichendem Maße
ersetzt werden; auch stand nunmehr nach langem Harren die entschei¬
dende Waffenhilfe der Amerikaner in Aussicht.
Als Ergebnis der Einbrüche in die feindliche Front in Flandern und
zwischen Aisne und Marne waren neue Gefahrquellen für das deutsche
Westheer entstanden. In den weit vorspringenden Frontteilen vermoch¬
ten die hier nach dem Abziehen der Angriffs¡di visionen verbliebenen
Kräfte wegen des fortdauernden Kleinkrieges und der gesunkenen Stände
keine feste Verteidigungsfront aufzubauen, was aber nötig gewesen wäre,
weil eine umfassende Gegenwirkung der an diesen Frontteilen zusam¬
mengeströmten feindlichen Reserven zu erwarten war (S. 157).
Bei dieser Sachlage stand die DOHL. im Juni 1918 vor schwerwie¬
genden Entscheidungen. Der Rückfall in die Abwehr hätte die Preisgabe
des unter schwersten Blutopfernx) und mit höchstem Materialeinsatze
gewonnenen Geländes bedingt und die Zuversicht der Kämpfer wie jene
der Heimat auf d:as tiefste getroffen. Es wider strebte der deutschen Füh¬
rung, dem Feinde wiederum die Freiheit des Entschlusses zu überlassen;
aber auch die Erkenntnis, daß die Abwehr keineswegs geringere Opfer
erfordere, als die Fortsetzung des Angriffes, ohne dadurch Erfolgsimög-
lichkeiten zu schaffen, mag gewichtig mitgesprochen haben. Dias ausge¬
blutete deutsche Heer, im Angriffe zwar noch immer eine vorzügliche
Waffe in der Hand der Führung, war unzweifelhaft nicht mehr in der
1) Die deutschen Verluste betrugen vom März bis zum Juni 1918 460.000 Mann
(Stenger, Der letzte deutsche Angriff, Reims 1918 [Oldenburg 1930] 7).
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