Die Aussichten für einen Friedensschluß
761
den im Londoner Vertrag von 1915 anerkannten „Aspirationen" in
irgendetwas nachzugeben. Frankreich blieb in der Frage der „Desan¬
nexion" Elsaß-Lothringens unerbittlich und dachte überdies an die Ge¬
winnung des Saarbeckens und an die Errichtung eines neutralisierten
linksrheinischen Pufferstaates. Albion bestätigte nicht bloß die Rechte
Frankreichs auf die Reichslande und forderte nicht nur die bedingungs¬
lose Räumung Belgiens, sondern es machte vor dem Letzten nicht Halt:
es war entschlossen, den Krieg bis zur völligen Entmachtung Deutsch¬
lands durchzukämpfen.
So waren denn, wenn der Winter nicht noch eine Überraschung
nach der Richtung des Friedens brachte, im Spätherbst die Lose aus¬
geworfen. Beide Mächtegruppen hatten sich im Kriegsjahre 1917 —
die des Vielverbandes nach dem Scheitern der Frühjahrsoffensive in
Frankreich — auf das Zuwarten eingestellt. Damit war es für 1918 vor¬
über. Die Mittelmächte mußten nach dem Scheitern des U-Bootkrieges
nun doch wieder entschlossen daran gehen, noch einmal die Entscheidung
mit dem Schwerte zu suchen. Der Niederbruch Rußlands bot gewiß aus¬
sichtsvolle Möglichkeiten. Die Zeit war allerdings begrenzt. Erschien
der Amerikaner mit starken Kräften auf der französischen Walstatt, ehe
die Mittelmächte ein entscheidendes Ergebnis erkämpft hatten, dann
neigte sich die Waagschale endgültig auf die Seite der Entente, die ihrer¬
seits die Rechnung denn auch nach dieser Erkenntnis einstellte: Halten
um jeden Preis bis zum Eintreffen der neuen Mitstreiter vom anderen
Ufer des Atlantik! Der Weg war beiden Teilen unentrinnbar vorge¬
zeichnet.