410
Die letzten Schlachten auf dem rumänischen Kriegsschauplatz
Kampfbegeisterung dieser Russenarmee verflog nur zu rasch wegen der
hohen Blutopfer, die sie in diesem Kampfe hatte bringen müssen.
Noch vor dem Losbrechen des von den Mittelmächten erwarteten
russischen Angriffes hatten sich diese zu einem Gegenschlag entschlos¬
sen, bei dem die erfolgreiche Abwehr des feindlichen Ansturmes den
Auftakt zu bilden hatte. Da dies programmgemäß eingetreten war, sollte
nun mit rasch herbeigeführten deutschen Divisionen von Zloczow ;aus
in der Richtung auf Tarnopol die gelockerte russische Front durch¬
brochen werden. Hiebei hatte die Stoßgruppe mit dem linken Flügel
längs der einen günstigen Flankenschutz gegen Norden bildenden Teich¬
reihe am Oberlaufe des Sereth vorzugehen.
Mitten während der Vorbereitungen für diesen Durchbruchsangriff
entriß aber Kornilow, der Führer der 8. Russenarmee, der k.u.k. S.Ar¬
mee den westlich von Stanislau gelegenen Schlüsselpunkt der Stellung
und verfolgte mit einer von den Russen sonst nie geübten Raschheit die
Verbündeten bis über Kalusz hinaus. Die Lage erschien nun so kritisch,
daß sogar erwogen wurde, statt bei Zloczow die Feindesfront zu durch¬
brechen, mit der Stoßgruppe nach Süden zu eilen, um durch einen
Flankenangriff den die k.u.k. 3.Armee verfolgenden Russen Einhalt zu
gebieten. Indessen kam die Armee Kornilow vornehmlich wegen Nach¬
schubschwierigkeiten von selbst zum Stehen. Der Ausführung des Durch¬
bruchsangriffes bei Zloczow stand nun nichts mehr im Wege.
Die auf schmaler Front (20 km) angesetzte, aber tief gestaffelte
Stoßgruppe warf die Russen ohne viel Mühe zurück. Schon am ersten
Tage, am 19.-Juli, war der taktische Durchbruch geglückt. Sechs Tage
später fiel Tarnopol. Der schräg gegen die russische Front weiter¬
wirkende Druck, dessen Schwergewicht unablässig mehr nach Süden
verlegt wurde, veranlaßte bald auch die vor der Südarmee stehenden
russischen Korps zum Aufgeben ihrer Stellungen. Und nun erwuchs
aus dem seinerzeitigen Rückzug der k.u.k. 3.Armee sogar ein Vorteil,
weil die nunmehr gegen die Nordflanke der bis Kalusz vorgedrungenen
8. Russenarmee wirkende Bedrohung jetzt auch diese Armee zum eiligen
Rückzug zwang1). So stürzte die ganze Russenfront bis zum Walle
der Karpathen ein.
Während nun die Verbündeten die Russen aus Ostgalizien ver¬
drängten, schritt der Feind in der südlichen Moldau zum Angriff. Trä¬
ger des Angriffsgedankens war hier das neuerstarkte Rumänenheer,
das darauf brannte, gemeinsam mit den Russen die Linien der Heeres-
*■) K i s z 1 i n g, Der strategische Durchbruch (Mil. wiss. Mitt., Jhrg. 1933, 89 ff.).