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Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
Die Verminderung des Gefechtsstandes der Isonzoarmee betrug,
wenn man die in dieser Zeit angefallenen 6500 Kranken hinzurechnet,
beinahe 30.000 Mann. Nun standen bei der Armee noch rund 65.000
Mann in den Marschformationen zur Verfügung. Sie erschienen aber
nicht ausreichend, um die noch bevorstehenden Verluste, die man voraus¬
schauend mit 60.000 Köpfen bezifferte, zu ersetzen. Die Heeresleitung
hielt es demnach für notwendig, der Isonzoarmee baldigst neue Kräfte
zuzuführen, und ersuchte am 23. Mai die Oberste Kriegsleitung, noch
zwei Divisionen der Ostfront auszulösen, um sie nach dem Südwesten
überführen zu können. So kamen anfangs Juni die 21. SchD. und etwa
Mitte Juni die 12. ID. zur Isonzo-Armee.
Der zweite Waffengang
(23. bis 28. Mai)
Der Hawptangriff der Armee Aosta
Hiezu Beilage 9
Die italienische Heeresleitung hatte die Einwendungen des Gen. Ca¬
pello gegen das Einbeziehen seines rechten Armeeflügels in die Schlacht¬
ordnung der dritten Phase anerkennen müssen; denn es war ihr nicht
möglich gewesen, den Schießbedarf für die Görzer Armee in dem aus¬
bedungenen Ausmaße zu vermehren (S. 153). Sie entband daher Capello
von der am 16. Mai befohlenen Teilnahme an dem entscheidungsuchen¬
den Hauptangriff. Die 3. Armee hatte nun allein mit verstärkter Kraft
zwischen der Wippach und dem Meere anzugreifen. Ihr Führer durfte
jedoch mit gleichzeitigen Ablenkungsangriffen des Nachbarn im Becken
von Görz rechnen, insbesondere mit einer kräftigen unmittelbaren Unter¬
stützung durch seine Artillerie. Die beiden Armeekommiandanten sollten
hierüber das Einvernehmen pflegen. Der Herzog von Aosta mochte den
Zeitpunkt für den Beginn der Handlung festsetzen1). Die 3. Armee
wurde bedeutend verstärkt, und zwar bezeichnenderweise durch drei Bri¬
gaden, die früher der Görzer Armee zugewiesen worden waren, sowie
durch mehrere Brigaden, die Mitte Mai von der Tiroler Front herüber¬
geholt wurden. Außerdem kamen noch zahlreiche mittlere und schwere
Batterien der Armee Capello zu der des Herzogs von Aosta. Dadurch er¬
reichte die 3. Armee einen Gefechtsstand von 246 Bataillonen. Die Zahl
!) Cadorna, La guerra, Neudruck 1934, 371.