Beginn der Offensive der Westmächte
121
Schon Ende Februar berichtete der englische Nachrichtendienst
über einen bevorstehenden Rückzug des deutschen Heeres aus dem
gegen Compiègne vorspringenden Stellungsbogen. Nivelle wollte daran
aber nicht glauben. Im übrigen vertröstete er die Engländer am 6. März
damit, die gemeinsame Offensive sei derart angelegt, daß selbst bei einem
Rückzüge der Deutschen in die durch Flieger festgestellte hintere Stel¬
lung diese sowohl vom englischen als auch vom französischen Angriffs-
raume her aufgerollt werden würde1).
Am 16. März waren die Deutschen im ganzen Abschnitt zwischen
Arras und Soissons verschwunden. Drei Viertel der Front, die angegrif¬
fen hätte werden sollen, waren jetzt ausgeschaltet; nur an den äußer¬
sten Flügeln der Stoßgruppen blieb der Angriff noch ausführbar. Es
mußte ein neuer Entschluß gefaßt werden, dies um so mehr, als der
Umsturz in Rußland und das Widerstreben Cadornas gegen ein gleich¬
zeitiges Losschlagen die Gesamtlage der Entente sehr erheblich ver¬
ändert hatte. Wohl erklärten die Vereinigten Staaten von Amerika am
6. April an Deutschland den Krieg, aber auf eine Hilfe durch das erst in
Bildung begriffene Heer der Union war noch lange nicht zu rechnen.
Mitte März vollzog sich in Frankreich auch ein Regierungswechsel,
Dem Ministerpräsidenten Briand folgte Ribot, der Painlevé als Kriegs¬
minister in sein Kabinett berief. Dieser forderte von Nivelle, die ge¬
änderte militärische Lage zu berücksichtigen. Auch erhoben Politiker
Einsprache gegen die bevorstehende Offensive, die ihnen keinen Erfolg
verhieß. Bei einem Kriegsrat zu Compiègne, der unter dem Vorsitz des
Präsidenten der Republik abgehalten wurde, mußte Nivelle seinen An¬
griffsplan sogar gegen die Zweifel der Heeresgruppenkommandanten
verteidigen. Doch nichts vermochte Nivelles Zuversicht zu erschüttern.
Nachdem sein Demissionsangebot abgelehnt worden war, bestimmte er,
daß die Engländer — wie geplant — am 9. April mit dem Infanterie¬
angriff zu beginnen hätten. Der Hauptangriff der Franzosen wurde
für den 16. April anberaumt.
Dem Ansturm der 1. und der 2. Armee der Briten war ein be¬
trächtlicher Anfangserfolg beschieden, hauptsächlich deshalb, weil die
deutschen Reserven zu weit zurückgehalten worden waren. Um die
Front vor einem Durchbruch zu bewahren, wurden die deutschen Divi¬
sionen östlich und nordöstlich von Arras planmäßig um etwa fünf Kilo¬
meter zurückgenommen. Hier festigte sich der deutsche Widerstand
sehr rasch. Drei weitere im April und anfangs Mai unternommene An-
x) Churchill, Weltkrisis 1916—18 (Wien 1928), I, 267.