Volltext: Die Ereignisse von Jänner bis Ende Juli 4 : Das Kriegsjahr 1916 1 [Textbd.] (4 : Das Kriegsjahr 1916 ; 1 ; [Textbd.] ;)

Besprechung zu Berlin am 23. Juni 
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gewiß bevorstehenden Gegenangriff der Italiener wie aus der starken 
Beanspruchung der Tiroler Bahnen. „Ich bin also leider", betont Conrad, 
„nicht imstande, gleichzeitig Angriffskräfte beiderseits des Dniester 
bereitzustellen, Vordringen der Russen nach Ungarn zu verwehren und 
die italienische Front verläßlich zu halten, worauf es doch auch wesent¬ 
lich ankommt." Nun würde er freilich dann, wenn Falkenhayn auf den 
Stoß Dniester abwärts einginge und entsprechend starke deutsche Kräfte 
hiefür beistellen würde, das Wagnis auf sich nehmen können, auch die 
zwei Tiroler Divisionen für dieses Unternehmen einzusetzen und sogar 
einen vorübergehenden Einbruch der Russen nach Ungarn und Sieben¬ 
bürgen in Kauf zu nehmen. Dagegen müßte sich bei einer ablehnenden 
Haltung Falkenhayns die öst.-ung. Heeresleitung darauf beschränken, die 
beiden Tiroler Divisionen in die Karpathen zu werfen, wobei es immer 
noch mehr als fraglich wäre, ob durch ein solches Flickwerk der Ein¬ 
bruch der Russen in Ungarn und das Eingreifen Rumäniens wirklich 
vereitelt werden könnten. 
Die von Conrad aufgeworfenen Fragen wurden tags darauf, am 
23. Juni, zwischen den beiden Generalstabschefs zu Berlin mündlich 
erörtert. Bei dieser Besprechung scheint in den wesentlichen Belangen 
das Einvernehmen, und zwar im Sinne der Vorschläge Conrads erzielt 
worden zu sein. Offen blieb die Frage, aus welcher Richtung im Ein¬ 
zelnen beim Gegenangriff in Ostgalizien vorzustoßen sein werde. Falken¬ 
hayn gab einem Stoß aus der Front der deutschen Südarmee den Vorzug, 
vielleicht schon deshalb, um die Kommandoführung leichter nach seinen 
Wünschen regeln zu können. Conrad mochte zu einer weiter südlich 
gelegenen Stoßrichtung hingeneigt haben. In einem vom 25. datierten 
Telegramm an Falkenhayn spricht er davon, „daß die Verbindungen 
der russischen Bukowinagruppe wirksamer durch einen Stoß zwischen 
Dniester und Pruth getroffen" werden könnten, als durch einen solchen 
nördlich vom Dniester. Ebenso bezweifelt er in dieser Depesche die von 
Falkenhayn in Berlin verfochtene Möglichkeit, zu der geplanten Sto߬ 
gruppe auch Kräfte der k. u. k. 2. Armee heranzuziehen, die mit ihren 
vier Divisionen ohnehin 50 km Front in der empfindlichen Lemberger 
Richtung zu halten hatte. 
Es wird wohl kaum mehr nachzuweisen sein, ob Falkenhayn in 
Berlin seinem österreichischen Kollegen auch Mitteilung über den be¬ 
deutsamen Entschluß zukommen ließ, den er in diesen Tagen für die 
Kriegführung an der Westfront gefaßt hatte: von der unmittelbar be¬ 
vorstehenden Einstellung des kräfteverzehrenden Angriffes auf Verdun,
	        
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