Das Ergebnis der Offensive
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Inzwischen war auf dem Rückzug ins historische Amselfeld der ser¬
bischen Heeresleitung die sehr schmerzliche Enttäuschung geworden, daß
allen Verprechungen zum Trotz die Ententetruppen Sarrails die Vor¬
rückung bei Gradsko plötzlich eingestellt hatten. Es blieb den Serben
nur mehr der verzweifelte Entschluß offen, sich selbst zu ihren wort¬
brüchig gewordenen Alliierten durchzuschlagen. Aber die Kräfte der
schon stark zermürbten Divisionen reichten nicht mehr hin, den kühnen
Plan auszuführen — der Tragödie letzter Akt war der Rückzug der
Serben nach Montenegro und Albanien an die Adriaküste ; damit war auch
der dritte Einkreisungsversuch der Gegner in zwölfter Stunde vereitelt.
Noch war dem serbischen Heere, ehe es in die versumpften Küsten¬
ebenen niederstieg, ein furchtbares Golgatha beschieden. Und man mag
sich ausmalen, wie es erst gekommen wäre, wenn Österreich-Ungarn
sein Lovcenunternehmen um fünf oder sechs Wochen früher angegangen
hätte, als es — anfangs Jänner 1916 — tatsächlich geschah. Die Vorbe¬
dingungen wären vielleicht gegeben gewesen. Was bei den Monte¬
negrinern an Kampfwillen noch vorhanden gewesen ist, hatte durch den
Anblick der Schauerbilder, die der Rückzug der Serben bot, einen schweren
Stoß erhalten. Die verhältnismäßig geringe Zahl von Fußvolk und Ar¬
tillerie, die zur völligen Niederwerfung Montenegros nötig sein mochte,
hätte sich an der Front gegen Serbien wohl rechtzeitig freimachen lassen.
Eine solche Teiloffensive, über Skutari hinausgeführt, wäre aller Wahr¬
scheinlichkeit nach befähigt gewesen, dem aus dem Gebirge heraustreten¬
den Serbenheer den Todesstoß zu versetzen. Aber dieses letzte Schicksal
blieb der tapferen Armee König Peters erspart. Sie war zerrissen, ver¬
hungert, in Trümmer geschlagen, sie hatte ihre Heimat verloren, aber sie
lebte und konnte den Alliierten unter schweren Vorwürfen den entschie¬
denen Willen kundtun, nach einer Atempause und nach entsprechender
Aufrüstung wieder in die gemeinsame Phalanx einzurücken. Serbien ver¬
blieb auch weiterhin in der Front des Vielverbandes.
Trotz dieses unvollständigen Ergebnisses konnten die Truppen der
Verbündeten, als sie südlich von Novipazar und im Amselfeld ihre Ge¬
wehre zu kurzem Halt auf den eroberten Boden stellten, mit ihren Lei¬
stungen wahrlich zufrieden sein. Es waren vielleicht weniger die Opfer
durch die Waffen des Feindes als die furchtbaren Mühsale und Ent¬
behrungen, die Gelände und Winter den Kämpfern auferlegt hatten und
den Feldzug zu einem der schwierigsten des Weltkrieges werden ließen.
Ebenso war aus dem Blickfeld der obersten Führung das Erreichte nicht
zu unterschätzen. Den Mittelmächten stand der Weg zu ihren bulgarischen