Volltext: Vom Ausklang der Schlacht bei Limanowa-Łapanów bis zur Einnahme von Brest-Litowsk 2 : Das Kriegsjahr 1915 1 [Textbd.] (2 : Das Kriegsjahr 1915 ; 1 ; [Textbd.] ;)

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Der Feldfcug von Brest-Litowsk 
Der Ministerpräsident Bratianu schraubte in hinhaltend geführten Ver¬ 
handlungen die Forderungen für das militärische Eingreifen immer höher, 
bis er am 20. Juli unter Hinweis auf Rußlands ungünstige Kriegslage er¬ 
klärte, den Zeitpunkt seines Hervortretens nicht bestimmen zu können1). 
Dergestalt auf sich allein gestellt, mußte Rußland versuchen, aus 
eigener Kraft seine militärische Lage zu festigen. Leicht war dies sicher¬ 
lich nicht, denn dem traurigen Zustand seines Heeres gesellten sich inner¬ 
politische Schwierigkeiten bei, die in großen Unruhen in Moskau ihren 
Ausdruck fanden. Damals keimten die schon in den blutigen Karpathen¬ 
kämpfen geweckten revolutionären Strömungen in der von schwersten 
Verlusten heimgesuchten russischen Armee bereits merkbar auf. Auch in 
der Besetzung hoher Staatsämter mußte Wandel geschaffen werden; so 
wurde Kriegsminister Suchomlinow, dem man die Vernachlässigung der 
Heeresrüstungen zur Last legte, durch Gen. Poliwanow ersetzt. 
Hatte der Großfürst-Generalissimus schon am 20. Juni in Anbetracht 
des kaum mehr vermeidbaren Verlustes von Lemberg die Räumung der 
galizischen Hauptstadt und des noch besetzten galizischen Gebietes an¬ 
befohlen, so war hiebei für die nach Norden abziehenden Teile der Süd¬ 
westfront die Linie Lublin—Cholm-—Wladimir-Wolynski als neue Front in 
Aussicht genommen worden, während der Südflügel bis an den Zbrucz 
weichen sollte. Als nun am 22. Lemberg tatsächlich fiel, wies Iwanow 
die 4. und die 3. Armee und die als Verbindungsglied zum Südflügel aus 
dem II. und V. kauk., dem XXIII. und XXIX. Korps und dem IV. Ka¬ 
valleriekorps geschaffene Gruppe Olochow zum Rückzug in die vorge¬ 
nannte Linie Lublin—Wladimir-Wolynski an, um die nach Brest-Litowsk 
führenden Straßen zu decken. Die 8. und die 11. Armee hatten sich all¬ 
mählich an die Reichsgrenze zurückzuziehen und den Gegner dort in mit 
aller Tatkraft zu erbauenden Stellungen aufzuhalten. Die 9. Armee sollte 
ihre Front mit der 11. in Einklang bringen. 
Um über das höchst schwierige Problem der weiteren strategischen 
Maßnahmen klar zu werden, fand am 24. Juni zu Baranowiczi ein Kriegs¬ 
rat statt, dem auch der Zar beiwohnte. Hiebei wurde einvernehmlich fest¬ 
gesetzt, daß Rußlands nächste strategische Aufgabe Zeitgewinn bis zum 
Herbst sei. Das in zwei bis zweieinhalb Monaten eintretende Herbstwetter 
werde die Wege ungangbar machen und dadurch einen Operationsstill¬ 
stand erzwingen, der dann zur gründlichen Erneuerung des Heeres Ge¬ 
legenheit böte. Die im Augenblick weit nach Westen bis über die Weichsel 
vorragende Heeresmitte war aber von Norden und von Süden Flanken- 
1) Das Zaristische Rußland im Weltkriege, 219.
	        
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