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Von Gorlice bis Lemberg
Das XXXXI. RKorps und das k. u. k. VI. Korps nahmen ungesäumt die
Verfolgung auf. Dagegen mußte das Beskidenkorps dem Feinde seine
Stellungen westlich von Kulików bei Tagesgrauen im Sturme entreißen,
worauf endlich auch der ebengenannte Ort in die Hände der Angreifer
fiel. Diese überschritten die Lemberger Straße in der Richtung auf Zóltance.
Zur gleichen Zeit brandeten auch schon die Angriffe der Korps
Schmidt-Georgenegg und Trollmann an die Hauptstadt heran. Die
erste entscheidende Bresche schlugen die Wiener Schützenregimenter
1 und 24, indem sie um 5h früh, allerdings unter schweren Opfern, das
Werk Rzçsna Polska (A320) erstürmten1). Die Schützen drangen beider¬
seits der Straße gegen Lemberg weiter vor. Um 9h vorm. eroberte in
ihrer linken Flanke die 43.SchD. des IV. Korps Brzuchowice (-<¡>348),
um 10h30 folgte das Werk Sknilów (-<>-322) südwestlich von Lemberg,
das die Deutschböhmen der 29. ID. dem Feinde entrissen; kurz darauf
erstieg das den Namen des Deutschen Kaisers führende Kaschauer IR. 34
die Brustwehren auf der Lysa Gora östlich von Brzuchowice. Der Halb¬
kreis von Verteidigungswerken, der die Hauptstadt Galiziens gegen Nord¬
westen, Westen und Südwesten umgab, war in zum Teil recht blutigen
Kämpfen bezwungen.
Unterdessen hatte der Verlust von Zolkiew und Kulików den feind¬
lichen Armeeführer Brussilow schon vor einigen Stunden veranlaßt, an
die Lemberg verteidigenden Divisionen den Befehl zur Räumung der
Stadt zu erteilen2). Als knapp nach Mittag die ersten öst.-ung. Reiter¬
patrouillen von Westen her in Lemberg einritten, verließen die letzten
Russen die Stadt gegen Osten.
Nun gab es für den Feind auch südlich von Lemberg kein Halten
mehr, wo noch am Morgen um die Höhen östlich von Szczerzec und bei
Sokolniki erbittert gerungen worden war. Um die Mittagsstunde verkün¬
deten russische Funksprüche, daß Brussilow und Schtscherbatschew im
Begriffe stünden, auch hier die Schlacht abzubrechen. Böhm-Ermollibefahl
dem in Lemberg eindringenden XIX. Korps, ungesäumt starke Teile auf
die Straße nach Bóbrka zu entsenden und auf solche Weise dem Südflügel
1) Eine belletristische Schilderung dieser Kämpfe der Wiener Schützen brachte
Ludwig Ganghofer im „Hamburger Fremdenblatt" (abgedruckt bei B a e r, Der Völker¬
krieg, IX, Stuttgart 1916, 42ff.).
2) Boncz-Bru jewitsch, II, 226 ; die Mitteilung, Zajontschkowskij,
308, Brussilow habe den Räumungsbefehl schon am 21. abends erteilt, mag wohl auf
einem Irrtum beruhen, da der Armeeführer seinen Entschluß ausdrücklich mit dem Rück¬
zug seines rechten Flügels aus den wichtigen Schlüsselstellungen bei Zóìkiew und
Kulików begründete.