Volltext: Vom Ausklang der Schlacht bei Limanowa-Łapanów bis zur Einnahme von Brest-Litowsk 2 : Das Kriegsjahr 1915 1 [Textbd.] (2 : Das Kriegsjahr 1915 ; 1 ; [Textbd.] ;)

Der Zustand des russischen Heeres 
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liehe Gedanken, wie sie zweieinhalb Jahre später Smuts als Unterhändler 
Lloyd Georges gegenüber dem öst.-ung. Bevollmächtigten Grafen Mens¬ 
dorff äußern sollte1). Sie fanden aber in den Staatskanzleien zu Wien 
und Budapest kaum einen Widerhall. 
Gegenmaßnahmen der Russen 
Die Meldungen des Oberkmdos. Mackensen, die auch anderweits 
bestätigt wurden, schilderten die Verfassung des russischen Südwest¬ 
heeres im wesentlichen durchaus zutreffend. Die 15 Infanteriedivisionen, 
die Iwanows Armeen seit Anfang Mai aus den Truppenbeständen der 
Nordwestfront und von den im Bezirk Odessa gegen die Türkei ver¬ 
sammelten Kräften als Verstärkungen erhalten hatten, waren in den 
Schlachten zerronnen wie Schnee in der Frühlingssonne. Die Divisionen 
der russischen Südwestfront wiesen Regimentsstärke und noch geringere 
Stände auf. Der Gesamtverlust der Armeen Iwanows belief sich im Mo¬ 
nat Mai nach den amtlichen russischen Meldungen auf 412.000 Mann an 
Toten, Verwundeten, Gefangenen und Vermißten2). Kaum zur Not aus¬ 
gebildete Rekruten wurden ohne Waffen bis knapp an die Schützenlinien 
herangeführt, um hier die Gewehre der Toten und der Verwundeten an 
sich zu nehmen; zwischen der Weichsel und Czernowitz fehlten 300.000 
Gewehre. Besonders stark fühlbar machte sich — wie schon seit längerem — 
die Munitionsnot; sie führte beinahe zur Katastrophe. Selbstverständlich 
litt unter diesen Mängeln und den fortgesetzten Niederlagen auch die 
Moral vieler Truppenteile mehr und mehr, indes sich andere in nicht 
geringer Zahl freilich noch immer mannhaft schlugen. Die höhere und 
die höchste Führung stand dieser Entwicklung vielfach mit russischem 
Fatalismus gegenüber; immer seltener wagte sie, wieDanilow3) klagt, 
den Versuch, die Freiheit des Handelns durch die Kunst des Manövers 
zurückzuerobern. 
So stellte denn auch der gewaltige Gegenangriff, den Iwanow am 
28. Mai für seine ganze Front angeordnet hatte, im wesentlichen ein 
Unternehmen dar, bei dessen Durchführung ausschließlich auf die Sto߬ 
kraft und Zähigkeit des Muschik gebaut wurde, das aber nach der ganzen 
Lage von Haus aus nur geringe Erfolgsaussichten bot. In der Tat mußte 
!) Glaise-Horstenau, Die Katastrophe, 160 ff. ; Benes, Der Aufstand der 
Nationen (deutsche Ausgabe, Berlin 1928), 426. 
2) Boncz-Bru jewitschj II, 259 f. 
3) Danilow, 507. 
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