Volltext: Vom Ausklang der Schlacht bei Limanowa-Łapanów bis zur Einnahme von Brest-Litowsk 2 : Das Kriegsjahr 1915 1 [Textbd.] (2 : Das Kriegsjahr 1915 ; 1 ; [Textbd.] ;)

Heer und nationale Frage 
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Das moralische Gefüge 
Daß den schweren Erlebnissen der ersten Kriegsmonate die ur¬ 
sprüngliche Begeisterung zum Opfer fiel, ist nicht verwunderlich. Auch 
die wachsende Erkenntnis, daß der Krieg noch Monate, ja vielleicht 
Jahre dauern werde, drückte auf die Gemüter von Offizier und Mann. 
Ein erhebliches Maß von Kriegsmüdigkeit war namentlich um die Jahres¬ 
wende festzustellen. Sie machte erst einer hoffnungsvolleren Stimmung 
Platz, als der Frühling von Gorlice die Herzen emporriß. Die Wirkung 
solcher seelischer Vorgänge mußte natürlich bei einem Heere von so 
großer völkischer und kultureller Buntheit besonders mannigfaltig sein. 
Bei einem beträchtlichen Teil der Kämpfer, und zwar keineswegs bloß 
bei solchen deutscher Zunge, trat an die Stelle der ersten überschweng¬ 
lichen Kriegsbegeisterung das Pflichtbewußtsein gegenüber Herrscher 
und Vaterland und das Ehrgefühl des Mannes, der in der Stunde der 
Not nicht verzagen will. Bei den Söhnen kulturell weniger hochstehender 
Völker mußte das eherne Gesetz strengsten Gehorsams und unverrück¬ 
barer Manneszucht ethische Bindungen ersetzen. 
Nicht überraschend konnte es für die Führung sein, daß in solchen 
Wochen und Monaten die Stimmung der slawischen und romanischen 
Soldaten noch besonderen, herabdrückenden Einflüssen aus doppelter 
Richtung ausgesetzt war, aus der Heimat und von der Feindesseite her. 
Die Geschichte der nationalen Revolution der habsburgischen Völker 
füllt eine gewaltige, in allen europäischen Sprachen niedergelegte Litera¬ 
tur. Die Anfänge dieser Revolution fallen in die Zeit, von der hier die 
Rede ist. Die Erscheinungen, die damit zusammenhängen, machten auch 
den Befehlsstellen der Feldarmee und des Hinterlandes schwere Sorgen, 
die aus zahlreichen Aktenstücken zur Nachwelt sprechen. 
Den Gradmesser für den nationalen Widerstand der einzelnen 
Völker bot von Anbeginn das Verhalten der tief ins Innere des Reiches 
eingebetteten Tschechen. Die Stimmung in Böhmen und Mähren ließ schon 
nach den ersten Rückschlägen in Galizien und Serbien gar manches 
zu wünschen übrig. Ungünstige Nachrichten vom Kriegsschauplatze ver¬ 
breiteten sich rasch, die Zeitungen und die Gesichter der Intelligenz ver¬ 
rieten trotz der durch den Ausnahmszustand drohenden Gefahren nur 
schlecht verhehlte Befriedigung. Beim Ausmarsch der zweiten Marsch¬ 
bataillone, Mitte September, kam es schon zu allerlei Zwischenfällen. Zum 
mindesten schmückte man sich mit Fähnchen und Bändern in allslawischen 
Farben, die auch auf den Feldzeichen der Feinde zu sehen waren. Zum
	        
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